Es fällt nicht alles vom Baum runter

Ein Pastor erzählt: Es war im Frühsommer, als ich an dem Haus mit seinem kleinen Vorgarten und dem großen Apfelbaum darin vorbeiging. Unter der Tür stand die Frau, schaute missmutig auf den Boden und sagte: "Ach, sehen Sie, es gibt dieses Jahr wieder nichts. Es fällt alles 'runter!" Und richtig, wenn man so auf den Boden sah, da lag alles voll von den abgefallenen Fruchtansätzen. Doch ich sagte zu ihr: "Ja, aber sehen Sie doch auch mal da hinauf, was da noch draufhängt!"
Und richtig, als ich ein paar Monate später wieder an dem Haus vorbeiging, hing der Baum voll schöner, dicker, roter Äpfel. Ich aber musste denken: Geht es uns nicht allen oft so wie dieser Frau? Wir sehen immer nach unten, sehen dabei nur, was uns fehlt, was andere uns vielleicht voraushaben, und werden darüber missmutig, verzagt oder gar neidisch. Was auf dem Baum unseres Lebens draufhängt, was wir anderen voraushaben, worin es uns besser geht als vielen anderen, das sehen und achten wir gering. Darum sind wir so undankbar und unfrohe Leute.
Und noch eins, was ich unter dem Apfelbaum denken und lernen musste:
Hätten die hängen gebliebenen Fruchtansätze sich wirklich so schön entwickeln können, hätte der Baum dicke Äpfel reifen lassen können, wenn nichts heruntergefallen wäre? Wir trauern oft so törichten Wünschen nach, wenn sie uns nicht in Erfüllung gegangen sind, und bedenken gar nicht, wozu es gut ist, wenn Gott nicht zu allem ja und amen sagt, wenn er in unsere Pläne hinein da und dort einen Strich macht.
Wir sollten nicht nur nach unten, sondern nach oben sehen, nicht nur, was uns mangelt, im Auge haben, sondern auf das achten lernen, was uns vor anderen geschenkt ist.

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 364
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