Eingemachte Cichorien
Gotthold wurden, als er früh morgens seiner Geschäfte halber ausgehen mußte, etliche eingemachte Dinge, als Cichorienwurzel, Citronenrinde, spanische Lactuk und andere mehr auf einem Teller gebracht, daß er davon kosten und, wie gesagt ward, sich damit wider die böse Luft verwahren sollte. Als er nun ein weniges davon zu sich genommen, verwunderte er sich, daß der geschmolzene Zucker diese Sachen mit seiner Süßigkeit so gar durchgangen und so gelinde und lieblich gemacht. Bald dachte er bei sich selbst: ach, mein Gott! wie süß ist deine Güte! wie lieblich und durchdringend ist deine Liebe, davon dein Diener und Apostel spricht 5 Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den H. Geist, welcher uns gegeben ist. Röm. 5, 5. Mein Gott! ich koste ja zuweilen die Süßigkeit deiner göttlichen Liebe, welche du, wie einen geschmolzenen Zucker, in mein Herz gießest. Die Lieblichkeit deiner Gnade und Güte umgiebt mich allenthalben, und kann ich dieselbe zu empfinden nicht Umgang haben. Ach, wie gehts denn immer mehr zu, daß mein Herz nicht ganz süß, gelind, weich und freundlich wird, da es deine Liebe und Freundlichkeit wie ein Strom überschwemmt? Ach, laß nicht nach, mein süßer und liebster Gott! entzieh mir nicht die Gegenwart des Geistes der Liebe! Laß mich die Süßigkeit deiner Gnade allezeit kosten, bis mein Herz in deiner Liebe erweiche und meinem Nächsten durch Demuth, Sanftmuth und Liebe so süß sei, als wie diese deine Geschöpfe mir auf der Zunge und du, der Schöpfer, im Herzen gewesen bist.
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