Eine Orgel ohne Wind

"Unlängst war ich in einer Dorfkirche, und da ereignete es sich, dass plötzlich, während die zahlreiche Gemeinde mit Macht den Choral sang, die Orgel verstummte. Ich saß in der Nähe und konnte gerade beobachten, was der Organist dazu machte. Der bearbeitete seine Tasten mit dem größten Eifer. Es sah so aus, als ob er durch vermehrten Eifer und durch erhöhten Druck durchaus einen Ton hätte aus den Tasten herauspressen wollen. Umsonst! seine Mühe und Kunst waren vergebens. Erst als der Orgeltreter wieder seine Pflicht tat, erklangen auch die Töne wieder. So wie mit dem Orgelspielen ohne Wind, so ist's mit der christlichen Wirksamkeit ohne Geist sie ist wertlos vor Gott, ob sie auch mit dem höchsten Eifer und der größten Geschäftigkeit geschähe, weil sie nicht durchweht ist von dem Lebenshauch des göttlichen Geistes Ihr Eifer ist fleischlicher Natur, ihre Früchte sind nicht bleibend... Und wie du aus einer Orgel ohne Wind keinen Ton herauszubringen vermagst, mit der größten Kunst und dem größten Eifer nicht - so vermagst du auch aus dem natürlichen Menschenherzen mit allem Predigen, Ermahnen und Strafen kein göttlich Werk zu pressen. Ferner: wie bei der Orgel im letzten Grund nicht der Spieler, sondern der Orgeltreter mit seinem Wind den Ton macht, so wird alles wahrhaft Göttliche in uns gewirkt durch den Geist Gottes, durch Gott selber."

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 1318
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