Eine Notlüge und ihre Folge

Frau Hildegard Neuffer-Staven-Hagen erzählt in ihrem Buch "Kinderseelen": "Ich bin bei Bekannten zum Tee, als das Mädchen Besuch anmeldet. 'Ich bin nicht da', ist die schnelle Antwort der Hausfrau, und das Mädchen geht mit diesem Bescheid hinaus. Niemand hatte auf die vierjährige Lilli geachtet, die dabeisaß und spielte. Als die Kleine zum Vesperbrot gerufen wurde, drehte sie sich um und sagte: 'Ich bin nicht da!' Erst lachen wir und wollen sie mitnehmen, aber sie strampelt mit den Füßen und weint: 'Ich bin nicht da!' Wir beiden Mütter sehen uns betroffen an und sagen: das kommt davon! Einige Tage später sagte die Kleine zum Kindermädchen: .Meine Mama kann gerade soviel wie der liebe Gott - meine Mama kann sogar noch mehr! Hast du nicht gesagt, der liebe Gott ist immer da, auch wenn ich ihn nicht sehen kann?' 'Ja, gewiss, antwortete das Mädchen. Siehst du', triumphierte Lilli, 'die Mama kann ich sogar sehen, wenn sie nicht da ist!' 'Was?' 'Ja, sie hat es doch selbst gesagt.' 'Die Mama?' 'Ja - da hat sie auf dem Sofa gesessen und hat ganz deutlich zu Berta gesagt: Ich bin nicht da.' 
O du gläubige Unschuld, dachte ich, die du eher an ein Wunder als an ein Unrecht deiner geliebten Mutter glaubst. Wenn du einmal wissen wirst, dass die Mutter doch da ist, auch wenn sie das Gegenteil sagt, wird dir nicht einmal der Gedanke kommen: dann wird der liebe Gott wohl auch nicht immer da sein, wenn ich ihn nicht sehe?!" Viele Eltern dürfen sich nicht wundern, wenn ihre Kinder lügen. Wer will, dass seine Kinder nicht lügen, muss selbst unerbittlich wahrhaftig sein!                      

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 1655
© Alle Rechte vorbehalten