Eine linde Antwort stillt den Zorn
Schullehrer Joh. Kullen von Hülben auf der Schwäbischen Alb (gest. 1905) wurde eines Tags aus der Schulstube hinausgerufen, wo ein Weib aus der Gemeinde ihn erwartete und mit einer Flut von Schmähworten überschüttete, weil er ihren Buben, einen faulen Schlingel, tags zuvor hatte nachsitzen lassen. Da er sich gar keines Unrechts bewusst war, wollte er seinem natürlichen Empfinden nach auch im Zorn auffahren und gleiches mit gleichem vergelten; aber er gedachte an das Wort Jesu:
"Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig", und so sagte er ganz ruhig, nachdem der wüste Sturzbach sich erschöpft hatte: "Frau N., ich habe gehört, dass Ihr eines der fleißigsten Weiber des ganzen Fleckens seid; darum begreife ich, dass Ihr Euren Buben zur Zeit daheim bei der Arbeit haben wollt. Aber die Schulaufgaben gehen vor, und es tut dem Buben nur gut, wenn er mit allem Ernst dazu angehalten wird."
Jetzt war die Frau wie ein umgekehrter Handschuh. Sie bat den Lehrer wegen ihres ungestümen Dreinfahrens um Verzeihung und begegnete ihm von da an stets mit aller Höflichkeit.
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