Ein Jahr lang die Bibel lesen

Ein im Sterben liegender Vater ließ seinen Sohn noch einmal ans Bett rufen. "Mein Sohn", lispelte er mit schwacher, brechender Stimme, "du weißt, wie mich dein gottentfremdeter Wandel oft betrübt hat! Was soll ich dich jetzt noch viel ermahnen? Doch um eines will ich dich noch herzlich bitten, versprich mir nur dies eine: Wenn man mich hinausgetragen hat, so sollst du dich ein Jahr lang alle Tage auf eine kurze Zeit hierher in dieses Zimmer zurückziehen und hier, an der Stelle sitzend, wo ich sterben werde, einen Abschnitt aus der Heiligen Schrift lesen. Nur ein Jahr lang, nur 365 Tage, und danach tu, was dich gelüstet!"
Der Sohn verspricht es in seiner Rührung in die schon kalte Hand. Am ersten Tage nach dem Begräbnis sitzt er auch richtig im Sterbezimmer. Den kleinsten Psalm hat er sich für heute ausgesucht, so auch am zweiten und dritten Tage. Doch bald muss er sich größere Abschnitte nehmen und immer länger verweilt er im Sterbezimmer. Ja, ehe das Jahr umging, fand man ihn nicht bloß lesend, sondern auch betend, ja, auf den Knien betend. Er hatte nun seine Lust am Worte des Herrn und das neue Jahr ward für ihn ein Gnadenjahr. Er konnte nun nicht mehr von seiner Bibel loskommen.

Quelle: Der ewig reiche Gott, Dietrich Witt, Beispiel 1017
© Alle Rechte vorbehalten