Ein Huhn kann den Adler nicht verstehen

C. H. Spurgeon:
Wo ich auch immer mit Personen zusammentreffe, welche sich für vollkommen halten, da entdecke ich sehr bald, dass sie auch nicht das entfernteste Verständnis von dem haben, was wahre Vollkommenheit sein muss. Der Heide Australiens ist mit seiner Kriegswaffe ganz zufrieden, solange er noch keine Büchse gesehen oder von keiner Kanone gehört hat. Ihm ist seine Hütte ein Musterwerk der Architektur, denn er hat von einem Dom oder von einem Palast noch nie etwas gehört. Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass das Huhn auf der Scheunenflur ganz erstaunst sein würde, wenn es den Adler hörte, wie er es tief beklagt, dass er nicht im Stande ist, so hoch zu fliegen, wie er gern möchte. Das Huhn ist ja nach seinem Zustande auf der Scheunenflur ganz vollkommen, denn was fehlt ihm, da es sein Körnchen zu seinem Leben ohne jede Beschwerde aufpicken kann? Es weiß nichts Höheres, als seine Stiege zu erklettern und so schließt es denn, dass es absolut vollkommen und durchaus tüchtig ist zu allem, dass zu seinem Fluge nur erfordert werden kann. Aber o, wenn es wüsste, was das ist, da zu wohnen, wo der Donner herkommt, was das ist, über der Wolke dahin zu schweben, wo die schlummernden Blitze des Gebotes des Herrn harren - das arme Geschöpf dürfte dann wohl etwas von dem Kummer und von dem Sehnen empfinden, welche das Herz des königlichen Vogels erfüllt. Die Menschen wissen nicht, was Gott ist; sie kennen weder die Unendlichkeit seiner Vollkommenheit, noch die Majestät seiner Reinheit, sonst würden sie, selbst wenn sie aufs höchste gebracht haben, ausrufen: "Höher, höher, höher!" Und sie würde es beklagen, dass sie das Höhere noch nicht erreicht haben und sie würden fühlen, dass sie es beständig nötig haben, wie auf Adlers Schwingen aufwärts zu schweben.

Quelle: Das Buch der Bilder und Gleichnisse (2000 der besten Illustrationen), Charles Haddon Spurgeon, 1904, Beispiel 991
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