Ein geschmackloser Musikschwärmer

Ein reicher Amerikaner reiste eines Tages nach Europa, um den berühmten belgischen Violinisten Eugene Ysaye (1858-1931) zu hören. Unglücklicherweise kam er einen Tag zu spät an. Trotzdem ließ er sich aber zu diesem Künstler führen und bat ihn, ihm ein auserwähltes Stück zu spielen, wobei er willig war, viel dafür zu bezahlen. Ysaye erfüllte diesen Wunsch und fragte seinen Gast dann, ob es ihm gefallen habe. Letzterer antwortete:
»Dies tut nichts zur Sache. Die Hauptsache ist, dass ich sagen kann: Ich habe das Stück von Ihnen selbst gehört!«
Findet man solchen Snobismus nicht auch oft bei den Gläubigen? Man muss diesen großer Prediger gehört und jener Evangeliums-Großkundgebung beigewohnt haben! - Aber nun, was hat sich geändert? Was hat man dabei an geistlichem Wert gewonnen? Hat man bloß viel Neues zu erzählen?
Ist man sich bewusst, dass solches Vagantentum recht große Gefahren in sich birgt? Wie viele sind dabei schon unbemerkt auf falsche Lehren hereingefallen und schließlich zeitlebens nicht mehr aus ihrem elenden und ins Verderben führenden Irrtum herausgekommen. - Welche Tragik!
Geben wir darum acht, dass wir das Evangelium nicht in dem Sinn und Geist hören wie dieser Musikschwärmer oder, wie man heute sagen würde, dieser Fan jenes berühmten belgischen Künstlers!
(Joel Pretre)

Quelle: Wie in einem Spiegel, Heinz Schäfer, Beispiel 1888
© Alle Rechte vorbehalten