Ein geschlachtet Herz bringe ich zum Opfer

Im Juli 1536 nahm der junge, 27-jährige Calvin auf einer Reise nach Straßburg ganz heimlich Herberge in Genf. Aber kaum hatte es der dortige Pfarrer Farel erfahren, so eilte er zu ihm, schilderte ihm die Notlage der evangelischen Kirche der Stadt und bat ihn dringend um seine Mitarbeit. Doch der von Haus aus schüchtern angelegte Calvin hebt zurück vor der Riesenarbeit, die sich da ihm auftat, und sucht nach Ausflüchten aller Art. Lernen will er, nicht lehren, Muße, um Bücher zu schreiben, sucht er; für seine Gesundheit braucht er Ruhe; mit seiner schüchternen, weichen Natur sei er nicht solchen Widerständen gewachsen. Farel dringt in ihn mit göttlicher Vollmacht, als alle seine Bemühungen versagten, und fragt: "Zum letzten Mal: Willst du Gottes Ruf folgen oder nicht?
"Nein, nein, nein!
Farels Gestalt flammt Blitze: "Um deine Ruhe, um deine Lieblingsarbeiten bist du besorgt... So verkündige ich dir im Namen des allmächtigen Gottes, dessen Gebot du trotzest: Auf deinem Tun wird kein Segen ruhen... So verdamme Gott deine Ruhe, so verdamme Gott deine Arbeit!

Calvin zittert am ganzen Leibe. Eine furchtbare Klarheit erleuchtet ihn: Nicht der Mann vor ihm ist's, der redet, der Herr selbst tut's durch seinen Mund. Er fühlt die Gegenwart Gottes, der ihn aus seiner Bahn reißen will... und sein Trotz schmilzt. Er reicht Farel die Hand: "Ich gehorche Gott!

Noch einmal, als Calvin 1541 nach dreijähriger Verbannung aus Genf zurückgerufen werden soll, hat Farel ihn überwunden, die schwere Last wider seinen Willen im Gehorsam zu Gott zu übernehmen. "Wäre ich frei in meiner Wahl, ich täte alles auf der Welt lieber, als dir den Willen; doch ich weiß, dass ich nicht Meister meiner selbst bin. Ich bringe mein Herz dem Herrn zum Opfer dar. Nachdem ich meine Seele bezwungen und gebunden habe, unterwerfe ich sie ihm allein." 

"Cor mactatum in sacrificium offero" (ein geschlachtet Herz bringe ich zum Opfer dar) - diese Worte trägt Calvin in seinem Siegel neben dem Bilde einer Hand, die ein Herz umfasst.

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 305
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