Ein Brummbär

Otto Funke erzählt von einem Gespräch, das er in einem Thüringer Dorfe mitanhörte: "Ich muss nun doch wohl das Essen bestellen". Sagte der Mann mit brummiger Stimme. "Das ist schon besorgt", erwiderte lustig die Frau. "Aber wie kannst du das tun, ohne mich zu befragen?" Sagte er in strengem, richterlichem Tone. Sie entgegnete Schalkhast: "Ich weiß, du wirst heute mit mir Zufrieden sein." Er grunzte und maulte nur. Bald kam der Wirt selbst und brachte eine Schüssel mit Forellen, herrlich anzusehen. Siehst du, - dein Lieblingsgericht", sagte die Frau triumphierend. Ich drehte mich ein wenig um; nicht nur um die Forellen, die auch mein Lieblingsessen sind, zu sehen, sondern noch mehr in der Hoffnung, dass jetzt etwas von Sonnenschein auf das Gesicht des Brummbären komme. Aber er entgegnete: "Jeder Spaß wird einem verdorben; gerade für heute abend wollte ich Forellen bestellen." Die liebe Frau sah so aus, als wenn sie den Kehlkopf herunterwürgte; aber sie bezwang ihre Tränen; doch aß sie nur zum Schein ein wenig mit. Er dagegen verschlang alles mit "Todesverachtung". Noch einmal wagte die arme Frau ein Wort: "Hat dir's geschmeckt, lieber Mann "Nun - -, so lala". Sagte er gnädig und griesgrämig und wischte sich den Mund ab. Dann stand er auf. "Wo willst du hin, lieber Mann?" "Natürlich zahlen! Meinst du, dass man die Forellen hier umsonst bekommt?" "Ja", sagte sie, "diese sind umsonst; sie sind bezahlt." "Was soll das heißen?" fragte er. "Ich habe sie aus meiner Privatkasse bezahlt. Du erlaubst mir ja wohl die kleine Überraschung?" Und was antwortete der Unmensch? - "Sooo  - ja, ich habe schon lange gedacht, dass ich dir für deine Privatkasse viel zu viel gebe." Der Mann sei ein großer Gelehrter, sagte nachher der Wirt zu Funke, vermutlich ein abgearbeiteter Herr. "Ja - und ein Teufel", hätte ich bald gesagt.
Aus: "Mit Otto Funcke auf Reisen".

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 608.
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