Ein Brief an Charles Darwin

Charles Robert Darwin (1809-1882) ist durch seine Theorie über die Entwicklung des Menschen aus "affenähnlichen Vorfahren" berühmt geworden. Wenn Kopernikus bewiesen hatte, dass die Erde sich um die Sonne dreht, und Newton das Gesetz der Schwerkraft entdeckt hatte, das die Bewegung der Gestirne erklärte und jede andere Hypothese überflüssig machte, so zeigte Darwin mit der scheinbaren Unwiderlegbarkeit des Naturwissenschaftlers, dass sich alles Lebendige nach eigenen, biologischen Gesetzen entwickelt hat. Sein Grundwerk "Von der Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" wurde im Jahre 1859 zum Bestseller:Die erste Auflage von 1250 Stück war am Tag des Erscheinens ausverkauft, so groß war schon damals die Autorität des "Newton der Biologie" und so brisant das Thema, das er gewählt hatte.
Da Darwin jedoch bei seinen Gedanken den geistig-religiösen Gesichtspunkt außer Acht ließ, widerstand ihm seine Frau Emma. In einem Brief gab sie ihm Folgendes zu bedenken: "... Ist es nicht möglich, dass es im Wesen der naturwissenschaftlichen Forschung liegt, nichts zu glauben, was sich nicht beweisen lässt, und dass Dein Geist auch in anderen Dingen, die sich nicht beweisen lassen, sich durch die Gewohnheit wissenschaftlichen Denkens zu stark beeinflussen lässt? Ich möchte sogar so weit gehen zu sagen, dass es gefährlich ist, die Vorstellung von der Offenbarung aufzugeben, eine Gefahr, welche auf der anderen Seite (im rein naturwissenschaftlichen Denken) nicht existiert, nämlich die Furcht vor der Undankbarkeit, etwas von sich zu weisen, was für unser Wohl und auch für dasjenige der ganzen Welt getan wurde. Dies sollte Dich vorsichtiger machen und Dich sogar fürchten lassen, Du habest Dich nicht genug um die Wahrheit bemüht..."
Dieser Brief hat Darwin tief getroffen. Obwohl er sonst Briefe zu vernichten pflegte, bewahrte er diesen auf und schrieb für seine Frau auf den Rand:
"Wenn ich tot bin, so sollst Du wissen, dass ich manches Mal diese Worte küsste und darüber weinte. C.D."  (Rudolf Stertenbrink)

Quelle: In Bildern reden, Heinz Schäfer, Beispiel 1068
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