Durch Gehorsam bewahrt

Die Mutter war ganz versunken in die Stille des Nachmittags und schrieb an einem Buch. Prötzlich kroch eine unbestimmte Angst ihr ins Herz. Sie war gewohnt, auf solche leisen Mahnungen der Seele zu achten, und sprang auf. "Die Kinder!", dachte sie und öffnete das Fenster und rief: "Else, Walter, Trudel, Erika!" 
"Hier!", antwortete es gerade unter dem Fenster. 
"Was tut ihr?" 
"Die Else erzählt uns eine Geschichte." 
Die Mutter setzte sich wieder an den Schreibtisch und tauchte die Feder ein. Aber die Gedanken blieben weg, nur der eine blieb riesengroß stehen: "Die Kinder!", und dazu klopfte ihr Herz eine ängstliche Begleitung und schnürte ihr die Brust zu. Das war nicht auszuhalten. Wieder stand sie auf und trat ans Fenster. 
"Kinder!" 
"Ja?" 
"Kommt einmal herauf!" 
"Was sollen wir?" 
"Heraufkommen!" 
Ein enttäuschter Klagelaut, aber sie gehorchten. Bums, schmetterte die Haustür. Die Füße der Kinder polterten auf der Treppe. Huih!, machte der Wind und schüttelte am Schornstein. Da krachte es plötzlich und polterte über das Dach und stürzte herunter, durchschlug das Glasdach, dass die Scheiben klirrend rund umher prasselten, und schlug an der Schwelle auf, wo vor einer halben Minute die Kinder gesessen hatten. Totenblass stand die Mutter. Die Kinder kamen herein. 
"Was hat denn so gekracht?", fragte der Walter. Die Mutter zeigte zum Fenster hinaus. Acht erschrockene Kinderaugen blickten hinunter und dann sich an. 
"Der Schornstein ist heruntergekommen", sagte der Walter. "Hast du das gewusst?" 
"Wie gut, dass du uns gerade gerufen hattest!" 
"Und wir gleich gehorchten", sprachen sie durcheinander. 
"Euch hat der liebe Gott behütet, dankt ihm!", sagte die Mutter leise. 
"Durch dich!", rief die Trudel feurig. 
"Er sprach in meinem Herzen, und ich hörte drauf", erwiderte die Mutter und schlang die Arme um die geretteten Kinder.

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 327
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