Durch eigenen Geiz alles verloren
In den Hungerjahren 1779, 80 und 81 lebte in der Odergegend ein Mann, dessen Feld Höhenland war und gut getragen hatte. Schon im Herbste waren die Preise hoch. Mit dem Winter und dem Frühjahr stiegen sie immer höher. Mancher Handelsmann klopfte an die Tür des Reichen; mancher Handwerker bat, er möchte ihm doch für gutes Geld einen Scheffel lassen. Aber alle wurden abgewiesen mit der Antwort: "Ich habe mir einen Satz gemacht: der Kornboden wird nicht eher geöffnet, als bis der Scheffel acht Taler kostet. Dabei bleibe ich!" - Und zum Zeichen hatte er an die Bodentür eine große, schwarze 8 mit Kohle gemalt. Der Winter verging, der Mai kam heran; die Preise waren hoch gestiegen, denn die gewaltigen Fluten hatten großen Schaden getan.
Am 7. Mai kam ein armer Leinweber, ein ehrlicher Meister aus dem Orte. Sein Gesicht sah vor Hunger und Gram selber aus wie graue Leinwand. Er zahlte ihm, damit der reiche Mann das Geld sähe, für einen halben Scheffel drei Taler, zweiundzwanzig Groschen auf den Tisch. Die zweiundzwanzig Groschen bestanden aus Dreiern, Vierlingen, Groschen und Sechsern vom alten Fritz, die man sonst wohl Stiefelknechte nannte; denn der Mann hatte alles zusammengesucht. Aber der Bauer sprach: "Euer Aufzählen hilft Euch nichts; der Scheffel kostet acht Taler; das ist mein Satz. Eher tue ich meinen Boden nicht auf. Und dann muss es ordentlich Kurant sein."
Des Bauern Söhnchen, ein Bürschchen von zehn Jahren, zupfte den Vater am Rocke: "Vater, gebt's ihm doch!" Aber der Vater prägte ihm mit einem Rippenstoß andere Grundsätze ins Herz. Der Weber musste sein Geld zusammenstreichen und heim wandern.
Den 8. Mai in der Abenddämmerung kam die Zeitung an. Einen Blick hinein und der Bauer fand, was er finden wollte: "Roggen acht Taler." - Da zitterten ihm die Glieder vor Freude. Er nahm ein Licht, ging auf den Boden und wollte übersehen, wie groß seine Einnahme sein werde. Indem er so durch die Haufen und gefüllten Säcke hinschreitet, strauchelt er an einem umgefallenen Sack, fällt selber, das Licht fliegt ihm aus der Hand und in einen Haufen Stroh, der daneben liegt. Ehe er sich aufraffen kann, steht das Stroh in hellen Flammen. Ehe an Hilfe zu denken ist, hat das Feuer Dachstuhl und Dielen ergriffen.
Um die Mitternacht desselben Tages, wo der Scheffel Roggen acht Taler galt, wo er auf seinen Satz gekommen war und seinen Boden öffnen wollte, stand er am Schutthaufen seines ganzen Gutes als ein armer Mann!
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