Draußen vor der Tür, ein Heimkehrerschicksal

Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg hat wiederholt Wolfgang Borcherts Stück "Draußen vor der Tür" auf den Spielplan gesetzt. Geschildert wird eine Heimkehrersituation. Ein Soldat kommt aus Gefangenschaft. Jahrelang hat er auf diesen Augenblick gewartet. Und nun steht er endlich mit zitterndem Herzen da und klopft an seine Haustür. Er steht vor seiner eigenen Wohnung, und drinnen ist eine Frau. Und alles in ihm ist gespannt auf diesen ersten Augenblick der Begegnung. Da öffnet sich die Tür. Er sieht und erkennt blitzartig, dass sie gar nicht mehr auf ihn wartet. Es war ihr zu lange geworden. Nun hat ein anderer seine Stelle eingenommen. Das, wofür er blutete, worauf er gewartet hat, ist plötzlich nicht mehr da. Er steht draußen vor der Tür seines Eigentums. 
Das ist nicht nur ein Heimkehrerschicksal, das war auch das Schicksal des Sohnes Gottes. Vom ersten Augenblick an steht er draußen vor der Tür. Damals im Stall von Bethlehem, damals in Nazareth, wo sie aus Unglauben ihm nicht die Türen öffneten, damals in Jerusalem, als er über die Stadt weinen musste, und dann, als sie ihn draußen vor dem Tor ans Kreuz hängten. "Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf." Woran liegt es, dass sich dieses Schicksal immer wiederholt? Vor allem liegt es daran, dass jeder selbst Besitzer und Herr sein will über sein eigenes Leben und selbständig bestimmen möchte.

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 575
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