Die Zankenden

Ihrer zween waren in einer Gesellschaft mit etlichen harten Worten an einander gerathen; der eine war auf guter Leute Zusprechen gewichen und hatte dem andern das Poltern und Schnarchen allein gelassen, welches aber, wie es schien, ihm hernach leid war, weil er vermeinte, daß es ihm von andern für eine Zaghaftigkeit gedeutet, und jener dadurch bewogen werden würde, es mehr zu wagen, daß er ihn schimpflich hielte, weil es ihm diesmal frei ausgegangen. Gotthold vernahm solches und sagte: Lieber! wenn ihr einen Berg hinan gehen wolltet, und es würde euch ein großer Stein oder Klotz entgegengerollt, würdet ihr es euch auch schimpflich achten, daß ihr bei Seite tretet und ihn vorbeirauschen ließet? Ich halte nicht. Nun, was ist dann Schimpfliches daran, wenn man einem Menschen, welchen der Trunk und Zorn hat ins Rollen gebracht, entweicht und ihn walten läßt, bis er sich besinnt, und sein erregtes Gemüth in der Reue Ruhe findet? Wer seinen Willen bricht und nachgiebt, der ist im Hinaufsteigen; wer aber sich von seinen Begierden bemeistern läßt, der ist im Fallen begriffen.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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