Die Windlage oder Windstille
Es trug sich zu, daß etliche Wochen an einander der Wind fast gar nicht wehte, welches zwar an den Oertern, wo die Wassermühlen sind, nicht geachtet wird, allein, wo man, wie jener im Scherz redet, vom Winde leben muß, (er meinte, wo man nur lauter Windmühlen hat und ohne Wind kein Mehl zum Backen oder Malz zum Brauen haben kann), da verursacht es nicht geringe Noth und Beschwerde, maßen denn auch für diesmal viele Leute in etlichen Tagen kein Brod im Hause gehabt, ob es ihnen wohl am Korn nicht fehlte. Als nun hievon geredet ward, sagte Gotthold: Wenn wir meinen, wir haben alles von Gott erbeten, was wir bedürfen, so sollte es uns wol gehen, wie ein großer Lehrer (Luther) von einem Bauern dichtet, der immer das Wetter Gottes meisterte und, als ihm solches zu verwalten in die Hände gegeben wurde, und er bald regnen, bald die Sonne scheinen ließ, daß es ein Wetter war, wie man es wünschen möchte, befand er doch im Ausgang, daß die Kornähren taub und leer waren und er des Windes vergessen hatte. Der Wind hat feinen großen Nutzen, er reinigt die Luft, führt die Schiffe, treibt die Mühlen, versammelt und zerstäubt die Wolken, macht Felder und Wälder fruchtbar, und dennoch wirds von wenigen erkannt, und werden die Wohlthaten des Windes in den Wind geschlagen; darum denn auch der Wind oftmals erzürnt und entweder gar stille ist, oder also sauset und brauset, daß wirs mit Schrecken und Schaden inne werden, damit wir doch lernen mögen auch seinethalben Gottes Güte und Ernst erkennen. Seht aber hiebei, wie Gott mitten im Ueberfluß uns Mangel zuschicken kann, und wie wir so gar nimmer sein entrathen können. Es gehört viel dazu, ehe man einen Bissen Brod in den Mund stecken kann, und wenn es so weit gekommen ist, so kann er dennoch ohne Gottes Segen uns nicht gedeihen. Es ist nichts, daß wir gedenken: ich habe Geld im Beutel, Korn in der Scheuer und auf dem Boden, Vorrath in Küche und Keller, es kann mir nicht fehlen. Du Narr! dein Beutel kann durch Gottes Fluch löchericht werden, deine Scheuern kann das Feuer, dein Korn können die Würmer verzehren, dein Vorrath kann zerrinnen und verschwinden, und, wenn du am meisten auf deinen großen Vorrath trotzst, so kanns am ersten heißen: Du Narr! diese Nacht wird man deine Seele von dir nehmen, und weß wirds sein, das du bereitet hast? Luc. 12, 20. Darum laßt uns stets in der Furcht Gottes wandeln und alle Zuversicht nicht in unser Vermögen, sondern in seine Gnade setzen. Mein Gott! du versuchst es mit uns zu unserm Besten auf mancherlei Art! Zuweilen lässest du dich in deinen Wohlthaten oder Strafen gewaltig sehen und hören, zuweilen hältst du dich still und verbirgst dich, ob wir dich auf eine andere Art erkennen und dich suchen lernen wollten. Ach welche Dümmlinge sind wir Menschen, die wir oft das eine so viel, als das andere verstehen!
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