Die Wespe

Es war eine Wespe in Gottholds Studierstube gekommen, und als sie vor den Fenstern mit vielem Gebrumm flatterte, stand er endlich auf, fing und zerschnitt sie in 3 Stücke, daß das Haupt, die Brust mit den Flügeln und Füßen, und der Unterleib mit dem Stachel allein lag, da er denn mit Verwundern wahrnahm, daß alle drei Stücke nichts desto weniger lebten; der Kopf hatte noch die Macht, daß, wenn er ihm ein Spänlein darhielt, er darein biß, daß er daran hängen blieb; die Brust flatterte mit den Flügeln, liegend, immer rund herum; der Unterleib, so oft er angeregt wurde, war mit dem Stachel zu stechen fertig. Hiebei fiel ihm ein, was er ehemals bei dem h. Augustinus gelesen, welchem, als er auf dem Lande gewesen, seine Gefährten einen langen vierfüßigen Wurm gebracht, dessen einzelne Stücke, als sie ihn etliche Mal zerschnitten, gleichfalls wie der ganze Wurm umher gekrochen, darin er sich nicht zu finden wußte. Gotthold ging es nicht anders, und er fand nicht zu erklären, wie es zuging, daß die Seele, also zu reden, mit dem Leibe zertheilt und zerstückt würde. Doch sagte er bald bei sich selbst: ich will auch aus dieser Begebenheit meine gottseligen Gedanken unterhalten und mich hiebei erinnern, wie die Gottlosen und Verdammten in der Hölle im ewigen Tode doch ewig leben werden.

Wer will zweifeln, daß nicht die Teufel aufs grausamste mit den ihnen zuerkannten Menschen umgehen werden? Ich halte, sie werden sie alle Tage etliche Mal zerreißen und in viele Stücke zersplittern, nicht ihrer Qual durch einen endlichen Tod abzuhelfen, sondern dieselbe zu vermehren, weil in allen Stücken wird ein unsterbliches Leben sein, welches in einem jeden so viel Qual, als der ganze Leib zuvor, empfinden wird. Und also werden sie immer und nimmer sterben, sondern im Tode ewig leben.

So lang ein Gott im Himmel lebt 
Und über alle Wolken schwebt, 
Wird solche Marter währen; 
Es wird sie plagen Kält und Hitz, 
Angst, Hunger, Schrecken, Feur und Blitz, 
Und sie doch nicht verzehren; 
Dann wird sich enden diese Pein, 
Wann Gott nicht mehr wird ewig sein.

Ach Ewig! Ewig! Dies ist das Allerschrecklichste in der Hölle. Was ein Ende nimmt, da ist noch Hoffnung und Trost dabei, wie schrecklich es auch sonst ist. Aber wo ist ein Ende in der unendlichen Ewigkeit zu finden? Zwar es haben sich Leute gefunden, die vermeint, die Barmherzigkeit und unendliche Güte Gottes gebe nicht zu, daß er sein Geschöpf in alle Ewigkeit zur Qual und Pein verstoßen sollte. Allein, daß ich hierwider nichts anderes sage, wenn es möglich wäre, daß in der Hölle Buße und Glauben sein könne, so hielte ich auch, daß Barmherzigkeit würde da sein. Aber wie kann da etwas Gutes sein, da die Teufel nach allem ihrem Willen im Leibe und der Seele herrschen? Wohl haben die Lehrer geschlossen, daß, wer in Sünden und vorsätzlicher Bosheit sterbe, immer und allewege darinnen bleibe; denn wem Gottes Gnade nicht zu Hülfe kommt, wie kann der anders, als böse sein? Drum wie dieser Wespenkopf auch nach dem Tode, so zu reden, beißen und der Schwanz stechen will, so werden die Verdammten ewig einen bösen Willen wider Gott und Menschen behalten, wie denn angezeigt ist Offenb. 16, 10.: Die Menschen lästerten Gott und zerbissen ihre Zungen und lästerten Gott im Himmel vor Schmerzen. Darum werden sie in solcher ewigen Bosheit eine ewige Pein zu erwarten haben. Mein Gott! wenn dein Wort von der ewigen Qual und der Hölle redet, so geschieht es sehr kurz. Was ist die Ursache? Zweifelsfrei, daß es mit Worten nicht auszusprechen ist, was für Qual die Verdammten in Ewigkeit plagen wird. Wie sind wir denn so blind, daß wir der Hölle so leicht und liederlich vergessen? Das beste Mittel, der Hölle zu entgehen, ist, die Hölle oft betrachten.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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