Die welken Blumen
Gotthold sah etliche verwelkte Blumen auf dem Tische liegen und gedachte bei sich selbst: das ist weltliche Freude und Herrlichkeit, die in geschwinder Eile sich davon macht und nicht Fuß hält. Und im weiter n Nachsinnen fand er, daß auch eine solche Blume ein von Traurigkeit und Sorgen ausgemergeltes Herz vorbilden könnte. Ach, sagte er, wie viel welker, hochbetrübter Herzen giebt es in diesen letzten hochbeschwerlichen Zeiten! Wie mancher fromme Christ kann sein sorgenvolles Haupt kaum mehr tragen, sondern hängt es als eine verwelkende Blume! Wie viel tausend, tausend Thränen werden täglich in der bekümmerten Christenheit vergossen! Wie viel ängstliche Seufzer werden zu Gott im Himmel aufgeschickt! Und die sichere, gottlose, verzweifelte Welt achtet es nicht, sie beleidigt die armen Kinder Gottes und lacht dazu; sie preßt und ängstet die Herzen der Christen und nimmt es nicht zu Herzen. Aber wie die Dünste, so von der Erde aussteigen, endlich im Regen, Wind, Donner und Blitz wieder kommen, also wird alles traurige Seufzen und Winseln der Frommen endlich zum Feuer und Schwefel werden und auf der Gottlosen Häupter fallen. Ihr aber, ihr traurigen, betrübten Herzen, trauert und trauert nicht zu sehr! sorget und sorget nicht zu viel! Gott im Himmel hat Acht auf eure Thränen und Wehklagen! Die sämmtlichen Kreaturen seufzen mit euch! Mich däucht, ich sehe alle h. Engel weinen über so viel Herzeleid, Angst, Unbilligkeit und Noth, damit eure Herzen beschwert sind; Gott wird helfen! Er wird den Gerechten nicht ewig in Unruhe lassen! Hebet die traurigen Augen auf und wisset, daß sich eure Erlösung naht! Sollte nicht Gott retten seine Auserwählen, die Tag und Nacht zu ihm schreien, und sollte Geduld darüber haben? Ich sage euch, er wird sie erretten in einer Kürze. Luc. 18, 7. 8. Mein Gott! Koste alle traurige, beängstigte Herzen, so wird meiner auch nicht vergessen.
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