Die wahre Liebe

In einer Erzählung: "Die wahre Liebe", schildert der Schriftsteher Albert Reinecke das tragische Schicksal des Malers Ambrosius. Er hatte schon alles nur Erdenkbare gemalt, nur eines wollte ihm nicht gelingen, das darzustellen, was wahre Liebe ist. Er glaubte, diese wahre Liebe in seiner Braut gefunden zu haben, und gab dem Bild der Liebe die Züge seiner Braut. Sein Bild erhielt den ersten Preis.

Bald aber geschah es, dass er eine große Enttäuschung in seiner Liebe erleben musste. Da eilte er in die Kunstausstellung, in der sein Bild ausgestellt war, und zerriss es mit eigener Hand. Wie ein Wahnsinniger lief er durch die Straßen, immerfort rufend: Ich suche die wahre Liebe!

Lange hatte man nichts mehr von dem Maler gehört. Er wurde alt und grau. Eines Tages fand man ihn in seinem Atelier vor einem großen Gemälde tot auf. Es stellte die Kreuzigung Christi dar, das Ergreifendste aber waren die Augen die Augen Christi, die, von Todesschatten schon umflort, voll unendlicher Güte den flehenden Blick zum Himmel hoben. Mit dem letzten Rest seiner Kraft hatte der Maler unter das Bild geschrieben: "Die wahre Liebe!"

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 1646
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