Die Wachtel
Gotthold hörte eine Wachtel etliche Mal anschlagen und gerieth darüber in folgende Gedanken: diese Vögel sind berühmt und bekannt auch daher, daß Gott der Herr sein Volk in der Wüste einen ganzen Monat lang damit gespeiset hat. Dieses scheint zwar bei dem ersten Ansehen ein geringes, allein wenn man bedenkt die Menge des israelitischen Volks und wie die Schrift diese Abspeisung beschreibt, so erstaunt man darüber und kann es nicht begreifen. Des Volks Zahl möchte sich leicht, wenn man die Weiber, die Kinder, die Knechte und die Fremdlinge mitrechnet, auf vierundzwanzig mal hunderttausend Personen erstreckt haben, und diese alle haben Fleisches genug an diesen Vögeln gehabt, weil der Herr durch einen Wind Wachteln vom Meer kommen ließ und sie über das Lager streute, hier eine Tagereise lang, da eine Tagereise lang um das Lager her, zwei Ellen hoch über der Erde, daß das ganze Volk zween Tage und eine Nacht genug zu sammeln hatte, und müssen nach dem Anschlag etlicher Ausleger dieser Vögel etliche Millionen gewesen sein. 4. Mos. 11, 31. 32. Die Erfahrung bezeugt es auch noch jetzt, daß die Wachteln sich sehr bald vermehren, maßen sie, wie etliche berichten, in einem Jahr viermal hecken und Junge haben sollen, zweimal bei uns und zweimal an den Oertern, wohin sie sich im Winter begeben. Die erste Zucht brütet und heckt dasselbe Jahr auch einmal, darum denn die Waidleute sagen, daß, wer im Mai eine Wachtel tödtet, ihrer wol hundert ums Leben bringe, verstehe, wegen der Jungen, so dieselbe hätte das Jahr über erzeugen können. Daher kommts, daß, da ihrer an allen Orten jährlich so viele hunderttausend gefangen und in solcher Menge verkauft werden, daß etliche Bischöfe im Königreich Neapel ihre Tafel von dem Wachtelfang allein halten können, dennoch ihrer eine solche Menge allemal überbleibt und wiederkommt. Lasset mir das nun einen reichen und wunderbaren Gott sein, der nicht allein so viel Vögel einerlei Art erschaffen, sondern auch nebst allem andern, was da lebt, mit Wohlgefallen sättigen kann. Ps. 145, 16. O du reicher und mächtiger Gott, wie arm und unvermögend sehen wir dich oft an! Wenn unser Vorrath erschöpft ist, so meinen wir, du habest auch nichts mehr; wenn wir keine Mittel und keinen Rath wissen, so denken wir, du wissest auch nichts; da wir doch durch fremde und eigne Erfahrung endlich lernen sollten, daß deine Hand nimmer verkürzt ist, daß du nicht solltest helfen und rathen können! Mein Vater! deine Sorge soll fein, daß du mich versorgest, meine, daß ich deine Fürsorge dankbarlich erkenne und außer dem, was du bescherst, nichts weiter begehre und verlange. Den Israeliten wäre besser gewesen, kein Fleisch essen, als mit einer solchen Brühe deines Eifers, daß ihrer viele den Tod daran fraßen. 4. Mos. 11, 20. 23. Sie büßten ihre Lust, doch so, daß sie die Lustgräber füllten. Darum ists besser, Mangel haben mit deiner Gnade, als Ueberfluß mit deinem Zorn. Des Menschen Wille ist nicht sein Himmelreich, sondern mehrmals sein Tod und seine Hölle. Was man dir abschnarcht und abpocht, das kann einem nicht anders, als so, bekommen.
© Alle Rechte vorbehalten