Die Sparbüchse

Gottholds Söhne hatten sich eine Sparbüchse gekauft, darin sie, was ihnen bei Gelegenheit am Gelde gegeben ward, sammelten. Er sagte darauf: So sind heutiges Tags der meisten Menschen Herzen und Kasten; zu nehmen sind sie sehr begierig, zu geben, sonderlich wenn es Gottes Ehre und die liebe Armuth betrifft, sehr schwierig. O wie lange muß man oft schütteln, und wie viel Mittel muß man gebrauchen, ehe man etwas von einem harten und geizigen Menschen erhält zum Dienst Gottes und des Nächsten! Weil er lebt, meint er, er sei Geld zu sammeln und zu bewahren in die Welt gekommen; wenn er aber stirbt, und der Tod die Sparbüchse zerschlägt, so muß er zwar das Gesammelte andern lassen, doch mit Widerwillen und Unmuth. Ich halte, wenn es nicht so gar ungereimt und umsonst wäre, es würde mancher Geizhals, wie jener bei dem Stobäus, ein Testament machen und sich selbst zum Erben einsetzen. Was ist es aber für eine schreckliche und seelenverderbliche Thorheit, das Leben verlieren und den Tod begehren, das Gold sammeln und den Himmel verlieren. Ist es nicht zu bedauern, daß es mit uns Menschen dahin gekommen, daß wir alle ums Geld, niemand aber fast um seine Seele bekümmert ist? Vor Armuth und Mangel in dieser Welt fürchten wir uns, und an den ewigen Mangel, da man nicht eines Wassertropfens, die flammende Zunge zu kühlen, habhaft sein kann, denken wir nicht? Wie, wenn Gott zu den Geizhälsen in ihrem Letzten sagte: Wo sind eure Götter, eure Thaler, Dukaten und ganzes Vermögen, darauf ihr traut, die ihr so eifrig gesammelt und fleißig bewahrt habt? Lasset sie aufstehen und euch helfen und euch schützen. 5. Mos. 32, 37. 38. Es wäre eine schöne Sache, wenn ich andern mit vieler Mühe und Arbeit, mit Hintansetzung meines Gewissens und meines Gottes Geld gesammelt, welches sie hernach mit lustigem Muth und lachendem Munde theilten und verbrächten, und ich hätte nichts davon, als ein ewiges Darben, Heulen und Weinen. Mein Jesu/ behüte mich vor solcher Unsinnigkeit! Ich will zwar etwas sammeln, aber in deiner Verwahrung; meine Sparbüchse soll deine Hand sein. Ich will es dir durch die Hand deiner dürftigen Glieder anvertrauen, es wird ja wol nicht verloren sein, was Jesus in Verwahrung hat.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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