Die Schöne
Es ward im Beisein Gottholds eine Jungfrau wegen ihrer Schönheit gepriesen; darauf sagte er: Welche Schönheit meint ihr, des Leibes allein oder auch der Seele? Ich merke wohl, daß ihr nicht weiter, als auf den Schild, welchen die Natur ausgehängt hat, gesehen, nach dem Wirth aber, der im Hause wohnt, noch nicht gefragt. Schönheit ist eine edle Gabe Gottes, welcher auch die Feder des H. Geistes rühmlich zu gedenken nicht vergessen; ich weiß aber nicht anders, als daß nur die tugendhafte und gottesfürchtige Schöne diese Ehre hat. Sonst sagt die Schrift: Ein schön Weib ohne Zucht ist wie eine Sau mit einem güldenen Haarband. Sprüchw. 11, 22. Manches schöne Mensch ist wie die prächtige Blume, so man Kaiserkrone nennt, welche sich zwar durch ihr schönes Ansehen beliebt, durch den unangenehmen Geruch aber verachtet macht. Wenn oft das Gemüth so rein von Stolz, Eigensinn, Ueppigkeit und Leichtsinnigkeit wäre, als das Angesicht von Flecken, und manche so wohl die innerlichen Gemüthsneigungen, als die äußere Stellung im Zwang hätte, so hätte sie ihres gleichen nicht; allein, wer liebt die Raupe und das andere fliegende Ungeziefer, weil sie so bunt und mit mancherlei glänzenden Farben geziert sind, da sie doch Bäume, Pflanzen und Kräuter verunreinigen? Was hilft dem Apfel seine rosenrothe Rinde, da dir Wurm inwendig nach Belieben in ihm wühlt und zehrt? Was acht ich, daß die Nuß braun ist, wenn .sie wurmstichig und dem, der sie aufbeißt, den Mund Mit Unsauberkeit füllt? Also ist die Schönheit keines Ruhms werth, welche nicht mehr in, als auf der Lade hat, ich will sagen, die nicht mit innerlicher Tugend mehr, als mit äußerlicher Gestalt sich ansehnlich macht. Drum ist’s besser, sich schön machen, als schön geboren werden. Das ist die lobwürdigste Schöne, die nicht blumenartig und vor einem geringen Fieberlein flüchtig wird, sondern die auch im Siechbette, im Alter, im Tode beständig bleibt. Mein Gott! meine Schönheit steht in dem Anblick deiner Gnade; ohne Licht ist nichts schön, also, was du nicht mit dem Schein deiner Güte bestrahlst, das ist häßlich und scheußlich. Mein Herr Jesu, du Schönster unter den Menschenkindern! wirf auf meine arme Seele die Strahlen deiner Liebe! so begehr ich keiner Schönheit mehr.
© Alle Rechte vorbehalten