Die Schnecke
Gotthold sah eine Schnecke, mit ihrem Hause nach ihrer Art beladen, daherkriechen in großer Behutsamkeit, maßen sie denn ihre langen Hörner oder Ohren stets vorausstreckte, und wenn sie nur ein Lüftlein empfand oder ein Hälmlein ihr entgegen vermerkte, sich zusammen und in ihr Haus zog. Hier ist es wohl wahr, sprach er, daß einem nirgends besser ist, als in seinem Hause, darum denn dieses Thierlein mit dem seinigen lieber stets will belästigt, als dessen beraubt sein. Ich wünsche von Herzen, daß wir Christen, wenn wir mit weltlicher Gesellschaft umgehen, dieses Thierleins Art an uns haben möchten, daß wir behutsam und vorsichtiglich wandelten und keiner Lust und Ergötzlichkeit all zu viel trauten. Mein Gott! meiner Seele Haus ist deine Gnade und Güte, und nirgends ist mir besser, als wenn ich in stiller Andacht derselben nachdenken und mich ganz darin verbergen und verschließen mag; da sind ich Ruhe für meine Seele, da rede ich insgeheim und vertraulich mit dir, da tränkst du mich mit deiner Süßigkeit, daß ich trunken werde und in deinem Gnadenschooß, unter dem Schatten deiner göttlichen Vorsehung sanft und sicher schlafe. Mit dieser meiner Wohnung will ich mich allezeit tragen und, wenn mir in der Welt Lieb oder Leid widerfährt, zu derselben meine Zuflucht nehmen; so werd ich wohl gesichert sein.
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