Die Rose

Es sagte einer, als er die Rosen im Mai in ihrer schönen Pracht stehen sah: Diese Blume hat der H. Geist selbst zum Bilde der gläubigen Seele gebraucht, weil, wie die Rose mit Dornen, also die Seele mit Trübsal umgeben ist. Gotthold antwortete: Ihr redet wohl und werdet es auch zuweilen erfahren haben, was es für Dornen sind, die ein christliches Herz zerreißen und ängsten. Sonst berichtet man von den Rosen, daß sie ungleich wohlriechender werden sollen, so man unsern von ihrem Stock den starkriechenden Knoblauch pflanzt; ist nun dem also, so hat man gar sein daran zu ersehen, was ein böser Mensch und unverschämter Verleumder einem ehrlichen und gottseligen Manne frommen könne. Fürwahr, mancher würde einen solchen weitschallenden Ruhm nicht haben, wenn ihm nicht seine Verleumder, auch wider ihren Willen, dazu verhelfen hätten. Denn wenn einer sehr schwarz gemacht und verlästert wird, so halten es ehrliche Herzen (denen ihr ehrlicher Name über alle Schätze der Welt theuer ist und um desto schwerer dazu zu bringen sind, daß sie von einem andern liederlich etwas Unehrliches glauben sollten) also, daß sie des Aussagers Person, Gestalt, Geberden, Gemüthsneigungen wohl beobachten und dann auch um den Besagten mehr, als sie sonst wol gethan, bekümmert sind, da denn endlich eine Rose eine wohlriechende schöne Blume und der Knoblauch ein stinkendes Gewächs, ich will sagen, der Fromme ehrlich und lieb, der Verleumder aber schändlich und verhaßt bleibt. Zudem so übt ein Lästerer eines Frommen Geduld, zeigt ihm, wie boshaftig der Teufel ist, verleidet ihm die Welt, giebt ihm Anlaß zur Demuth und Erkenntniß seiner Sünden, reizt ihn, die vorgeworfenen Laster zu fliehen und im Gegensatz den Tugenden nachzustreben, und am Ende mit einem jeden Schmähworte wirft er eine Perle und Edelstein ihm zu, welche dermaleins seine Krone im Himmel zieren sollen. Und das ist’s, was der König sagt: Herr, wenn du mich (durch Schmach und Verfolgung) demüthigst, so machst du mich groß (und setzest mich zu Ehren). Ps. 18, 36. Mein Gott! du lässest denen, die dich lieben, alle Dinge zum Besten dienen. Röm. 8, 28. Nun kann ich nicht sagen, daß ich dich liebe, mein Gott! das aber kann ich mit Wahrheit sagen, daß ich dich gerne lieben und, wenn ich aller Engel und Menschen Liebe zugleich in mein Herz fassen könnte, dieselbe auf dich allein verwenden wollte. So laß nun, mein Vater! mir auch meiner Feinde Schmach zum Ruhm und ihren Fluch zum Segen gedeihen.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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