Die Rechnung
Gotthold fand einen Kaufmann bei seinen Registern und Büchern, daß er eines und das andere überschlug und in Richtigkeit brachte; darauf sagte er zu ihm: Ich wollte euch rathen, daß ihr diese eure Handlungsbücher mit einem und anderm guten Spruch aus der Schrift solltet zieren und dieselben vorne hin schreiben, damit ihr, so oft ihr dazu kämt, eine Erinnerung eures Christenthums und gewissenhaften Wandels haben möchtet; dazu könnten dienen entweder des weisen Königes Worte, Sprüchw. 10, 22.: Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe, oder was unser Erlöser sagt, Matth. 16, 26.: Was hülfe es einem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, seine Seele wieder zu lösen? Luc. 16, 2. Thue Rechnung von deinem Haushalten, denn du kannst hinfort nicht mehr Haushalter sein! oder des h. Apostels 1. Thess. 4, 3. 6.: Das ist der Wille Gottes, daß niemand zu weit greife, noch vervortheile seinen Bruder im Handel, denn der Herr ist der Rächer über das alles. 1. Tim. 6, 6. 7. 8. Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist und läßt ihm genügen. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinaus bringen, wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so laßt uns begnügen. Denn ihr wisset, daß alle Handlung unsers Lebens endlich dahinaus läuft, daß wir mit dem Tode müssen in Handlung treten und ihm die letzte Schuld mit unserm Leibe bezahlen. Selig ist, der alsdann so gehandelt, daß er seine Seele zum Gewinn hat. Kaiser Karl der Vierte hat einen Mönch gehabt, Dietrich Kagelwidt genannt, der sehr klug und verschlagen gewesen. Als ihn nun der Kaiser zum Verwalter auf ein vornehmes Amt gesetzt, hat er so wohl Haus gehalten, daß er in kurzer Zeit ein Ehrliches vor sich gebracht. Seine Mißgünstige verdroß solches und brachtens beim Kaiser dahin, daß er innerhalb gewisser Tagesfrist ihm Rechnung abzulegen befahlt Der Mönch war unerschrocken und sagte, er begehrte keine Frist, seine Rechnung fertig zu machen, sondern wäre bereit, auf stehendem Fuß dieselbe zu thun, wenn der Kaiser sie aufzunehmen belieben wollte. Als sich nun der Kaiser solches hat gefallen lassen, sagte der Mönch: Als ich zu Ew. Majestät kam, hatte ich diesen meinen Monchshabit und Kappe und etliche wenige Heller darin. Dieselbe halte ich für mein Eigenthum, das Uebrige, was ich gesammelt, begehr ich nicht, bin es auch meines Weibes und Kinder halber nicht benöthigt, sondern es gehört alles Ew. Majestät, der ich es aufbehalten, daß sie es im Nothfall haben möchte. Denn hätte ichs gen Hof geliefert, so wäre es meinen mißgünstigen Angebern und nicht Ew. Majestät zu Nutz geworden. Dies war eine gute Rechnung, die dem Kaiser sonderlich wohl gefiel. Lieber, lasset uns mit den uns von Gott vertrauten zeitlichen Gütern also handeln, daß wir auch dermaleinst, wenn uns der Tod zur Rechnung ladet, wohl bestehen mögen. Mein Gott! die langen Rechnungen sind die verworrensten. Aus langem Aufschieben folgt Weitläufigkeit, aus der Weitläufigkeit Gefährlichkeit. Darum will ich alle Abend mit dir Rechnung halten und mein Haupt nicht ehe sanft legen, ehe meine Rechnung von dir in Gnaden ist richtig erkannt und mit dem Blute meines Herrn Jesu, überstrichen.
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