Die Quittung

Gotthold mußte über eine Zahlung eine Quittung ausfertigen; als er nun darüber war, kam ein gottseliger Mann dazu und, nachdem er vernommen, was er vorhatte, sagte er: Damit wir Anlaß zum erbaulichen Gespräch haben mögen, Lieber, was wollt ihr Gutes und zur Gottseligkeit Dienendes bei einer Quittung erinnern? Nach wenigem Bedacht antwortete Gotthold: Anfangs, so manche Quittung ausgerichtet wird, so manches Zeugniß hat man, wie voll Betrugs und Mißtrauens die Welt sei. Bei den redlichen Alten war das ehrliche Gemüth Verschreibung und Quittung genug und ward höher und steifer gehalten eine Schrift, die in 3 oder 4 Zeilen bestehend, mit gelbem Wachs und dem Daumen versiegelt, daran ein oder ander goldenes oder silbernes Kreuzlein gehangen, oder darauf ein Kreuz als ein Zeichen der Treue, des Glaubens und der Wahrheit gebildet war, als jetzt eine große und weitläufige Verschreibung, die mit großen und schönen Siegeln in rothem oder grünem Wachs behangen ist. Das äußerliche Schminkwerk und Schmierwerk in der Welt nimmt zu, der innerliche, ehrliebende Gemüthskern nimmt ab. Doch findet man auch wol anderes, das uns bei einer Quittung zu Erbauung unsers Christenthums dienen kann. Der Mensch hat zwei Schulden über sich, daran er sein Leben lang zu zahlen hat; eine ist die Schuld der Sünde, die bezahlen alle gottesfürchtige Herzen täglich mit den Blutstropfen Jesu Christi und mit der fünften Bitte des h. Vater Unsers: Vergieb uns unsere Schuld, als wir vergeben unsern Schuldigern; diese Quittung schreibt der H. Geist in unser Herz, wenn er uns versichert, daß wir Gottes Kinder sind durch den Glauben an Christum Jesum. Die andere ist die Schuld der Liebe, davon der Apostel spricht: Seid niemand nichts schuldig, denn daß ihr euch unter einander liebt. Rom. 13, 8. Lasset uns ja dahin sehen, daß wir am jüngsten Tage viele Quittungen, in betrübter, armer, elender und trostloser Christen Herzen geschrieben, mögen vorzeigen können. Denn diese sinds, die eine Cession von dem Herrn Jesu in Händen haben, kraft welcher er seine an uns habende Forderung wegen seines für uns vergoßnen und bezahlten theuren Bluts ihnen hat abgetreten, und was wir ihnen bezahlen und reichen, das will er als ihm selbst abgestattet in Gnaden annehmen, wenn wirs mit ihrem Zeugniß an jenem Tage belegen werden. Selig ist, der solcher Quittungen viele in den Himmel voran geschickt hat, und dem viel dahin folgen werden! Schließlich erinnere ich mich der Schuld der Natur, die wir alle bezahlen müssen, und dessen, was ein guter Mann im Scherz sagte, als er einen Wagen mit Schaufeln, die man beim Begräbniß zu gebrauchen pflegt, fahren sah, daß es nämlich lauter Quittungen wären; er wollte sagen, daß wenn es so weit mit einem gekommen, daß man ihm mit solchen Schaufeln nachschlüge, so hätte er alle Schuld bezahlt und hätte solches mit den Grabschippen als mit Quittungen zu belegen. Mein Herr Jesu! ich will eine Quittung, mit deinem theuren Blut in mein Herz geschrieben, in mein Grab mitnehmen; alsdann haben weder Sünde, noch Tod, noch Teufel eine Forderung an mich.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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