Die Post
Als Gotthold einen Brief, der mit der Post oder dem ordentlichen Boten angekommen, eingehändigt wurde, der von einem ziemlich weit abgelegenen Ort in wenigen Tagen überbracht worden, sagte einer: Es ist doch eine zumal nöthige und nützliche Erfindung und Ordnung mit den Posten, bei welchen man in kurzer Zeit von abwesenden Freunden kann Nachricht haben, ja vermittelst derselben zum wenigsten alle Woche einmal mit ihnen Sprache halten, wo sie nicht gar zu weit entfernt sind. Die Herrenhöfe, die Kaufleute, die Gelehrten können der Posten nicht entbehren, wie es denn auch die Reisenden zu Dank annehmen, daß sie oft in kurzer Zeit einen weiten Weg durch dieses Mittel zurück legen können. Gotthold sagte: Es ist wahr, die Posten sind jetzt allenthalben wohl bestellt, und man wird nicht viel Oerter, wohin dieselben nicht gelangen, wissen, daß also die neusüchtige Welt ihren Vorwitz alle Wochen büßen und, was hie und da vorgeht, erfahren kann. Denn versichert euch, daß die meisten Postwagen von zweien Pferden vornehmlich, dem Eigennutz und dem Vorwitz, gezogen werden, davon aber jetzt nicht viel zu reden ist. Nur laßt uns das bedenken, was die Welt mehrentheils vergißt, wie wir eine geschwinde Post nach dem Himmel haben können, die unserm Gott und Vater unsern Zustand, Anliegen, Verlangen und Begehren schleunigst über, und uns von dannen eine väterliche, gnädige Antwort nebst Rath, Trost, Schutz und Hülfe zurück bringe. Gelobt sei der Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes, der es uns an einem solchen Boten nicht hat fehlen lassen! Unser Gebet ist der schnelle Postillon, unsere Seufzer sind die fliegenden Boten. Man findet in alten und neuen Geschichtsbüchern, daß die Tauben also abgerichtet, daß sie mit Briefen, die man in einem leichten Kästlein an den Hals oder ein Füßlein gebunden, von einem Ort zum andern geeilt. Ein berühmter, schottischer Edelmann, Wilhelm Lithgow, berichtet, daß er selbst zu Aleppo in Syrien gesehen, daß solche fliegende Boten daselbst ankommen, ihre Briefe am Halse gebunden führend, die in 48 Stunden von Babylon (welches 30 Tagereisen von dannen) herüber geflogen; wie man sich dergleichen in dem niederländischen Kriege, zuvörderst in der Belagerung der Städte Harlem und Leyden, bedient, das ist bei Meteran ausführlich zu finden. Allein viel schneller ist das Gebet, viel geschwinder sind unsere Seufzer, die in einem Augenblick zwischen der Erde und dem Himmel reisen und das Anliegen unsers Herzens bis an Gottes Herz bringen; dieses sind Boten, die keine feindliche Gewalt aufhalten kann, sie dringen durch die Wolken und lassen nicht ab, bis sie hinzu kommen, und hören nicht auf, bis der Höchste drein sehe. Laß einen Tyrannen einen gottseligen Menschen in das Gefängniß legen und zwischen dicken Mauern einschließen und ihm alle Gemeinschaft mit den Menschen verwehren, dennoch kann er diesem Boten nicht wehren, der aller Hindernisse ungeachtet dem allwissenden Gott seine Noth vorträgt und dessen Trost zurück bringt. Mich däucht, daß hierauf unter andern mit gezielt ist, wenn in der Offenbarung Johannis 21, 12. die himmlische Stadt beschrieben wird, daß sie ins Gevierte liege und auf jeder Seite drei Thore, auf jedem Thore aber einen Engel habe, zweifelsfrei nicht allein als einen Wächter, der verhüte, daß nichts Unreines in die Stadt eingehe, sondern auch als einen Annehmer der geistlichen Postillone, welcher sie alsofort vor Gottes Thron bringt. Dieses ist aber auf Menschenweise geredet, um uns Gottes geneigten Willen und sein gütiges Herz gegen unser Gebet vorzustellen. Mein Vater! ich danke dir, daß du uns dieses Mittel, mit dir wider des Teufels und der Welt Dank zu handeln, gegeben und uns die Kühnheit, mit dir zu reden, gegönnt hast. Verleihe, mein Gott! daß ich dessen allezeit in kindlicher Furcht und Zuversicht heilsamlich gebrauche, und laß mit solcher Post, mit dem letzten Seufzer, durch deines Geistes Kraft im Namen Jesu geschehen, meine Seele endlich von hinnen ab zum Himmel reisen!
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