Die Pfund- oder Schnellwage

Eine Schnellwage ist ein bekanntes Werkzeug, etwas zu wägen, hat einen Wagebalken, der mit den Pfundzahlen bezeichnet ist, und an demselben auf einer Seite ein geringes Loth, das hin und wieder an dem Balken kann geschoben werden nach Erforderung des Gewichts; auf der andern Seite eine Handhabe, dabei man sie halten, und einen Haken, daran, was man wägen will, man hängen kann. Als nun im Beisein Gottholds auch eine solche Wage gebraucht wurde, hatte er darüber folgende Gedanken: des Menschen Gemüth kann nicht unfüglich mit einer solchen Wage verglichen werden, vornehmlich, wenn es voller Sorgen oder Traurigkeit ist und ihm eine schwere Kreuzlast angehangen wird, da muß das Herz auf der andern Seite das Gegengewicht halten, wie klein es auch ist, gegen die centnerschweren Sorgen. Wie nun aber an dieser Wage die schwerste Last nicht leichter gewogen wird, als wenn man das Pfund oder Loth weit davon und zurück nach dem andern Ende schiebt, also kann der Mensch nicht leichter die schwersten Sorgen überwinden, als wenn er sein Herz davon und zu Gott zieht, sein Anliegen auf den Herrn wirft, nicht zweifelnd, daß er ihn versorgen werde. Darum ist es eine Thorheit, wenn wir meinen, unserm Kreuz alsdann die Wage am besten zu halten, wenn unser Herz am nächsten dabei ist und alles aufs eigentlichste und genauste bedenkt. Weit davon ist hier am besten! Man muß dem lieben Gott Raum geben, daß er auch dazu kommen kann. Es geht uns oft, als wenn ein Tumult und Schlägerei auf der Gasse entsteht und einer etwa gefährlich verwundet wird, da läuft jedermann zu, steht um den Verwundeten her, sagt dieses und jenes, und thut doch anders nichts, als daß er die Aerzte und seine Freunde verhindert, daß sie nicht können zu ihm kommen. Also wenn unserem Herzen etwas Unglückliches zu Händen kommt, da laufen alle unsere Gedanken und Sorgen zusammen und sind so geschäftig und häufig um das Anliegen her, daß der liebe Gott, der doch der beste Herzensarzt und Freund ist, nicht dazu kommen kann. Mein Gott! es dient zwar nicht, daß man gar nicht sorge, doch ist auch höchst schädlich, wenn wir zu viel sorgen. Ordentliche Sorge, welche durch fleißiges Nachdenken, vergönnte Mittel und andächtiges Gebet ihr Anliegen zu heben vermeint, ist nicht verboten, allein die Sorge, so alles allein ausrichten und, wenn sie nichts schafft, vor Leid sterben will, die nur bloß auf sich und das Kreuz und nicht auf dich und deinen Willen sieht, ist unnützlich, thöricht und schädlich. Mein Vater! ich will sorgen und thun, so viel ich soll und kann; das Uebrige wirst du wohl machen.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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