Die Musik

Als Gotthold ein Paar wohlgestimmte Lauten, welche mit einem Dulcian vergesellschaftet waren, von ferne hörte, empfand er darüber eine sonderbare Ergötzlichkeit und sagte zu einem guten Freunde: Ich wundere mich nicht, warum der Prophet Elisa, als er weissagen sollte, einen Spielmann begehrt hat, 2. Kön. 3, 15., alldieweil diese edle Gottesgabe so eine wundersame Kraft hat, des Menschen Gemüth aufzuklären und munter zu machen. Immer schade, daß auch dieses Geschöpf Gottes, wie die andern, der Eitelkeit muß unterworfen sein wider seinen Willen und den üppigen Weltkindern zu fleischlicher Ergötzlichkeit dienen. Denket aber hiebei, was für Lebenskraft in dem Worte Gottes steckt, welches ich billig einer wohlgestimmten Laute vergleiche, weil das Alte mit dem Neuen Testament und ein jedes Buch mit sich selbst und andern so eigentlich einstimmt; ein jedes Capitel, ein jeder Spruch ist eine wohlklingende Saite, vom Finger Gottes, dem H. Geist, geregt. Wohl dem, der diese Herzensmusik liebt und ihren kräftigen Schall im Geiste vernimmt! Mein Gott! wenn ich betrübt bin, so laß mich dieses Saitenspiel hören, daß ich in dir erfreut und getröstet werde.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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