Die Mühle
Als Gotthold bei einer Mühle vorüberging, gedachte er an die Worte des Sohnes Gottes: Wer da ärgert dieser Geringsten einen, die an mich glauben, dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, da es am tiefsten ist, Matth. 18, 6., und bat Gott mit Seufzen, daß er ihn vor Aergerniß bewahren und im behutsamen Wandel erhalten wolle. Im Fortgehen siel ihm ein, daß jener Fürst (Markgraf Albert von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg) wohl gesagt: Das menschliche Herz sei wie ein Mühlstein; wenn man Korn darauf schütte, so laufe es hemm, zerreibe, zermalme es und mache es zu Mehl; ist aber kein Korn vorhanden, so laufe gleichwohl der Stein hemm, aber er zerreibe sich selbst, daß er kleiner, schmäler und dünner werde; also wolle das menschliche Herz auch immerdar zu schassen haben. Wohl dem, der allezeit mit guten, gottseligen Betrachtungen, mit wichtigen Geschäften und nützlichen Gedanken es beschäftigt hält! sonst kann es durch unnütze Sorgen oder fleischliche böse Einfälle sich selbst bald verderben und verzehren. Wie aber, wenn die Mühlsteine nicht eng genug auf einander gehen, obschon Korn aufgeschüttet ist, dasselbe nur halb gemahlen wird, oder wol gar unzermalmt davon kommt, so geht’s auch oft in unserm Herzen zu; wenn unsere Andacht sich nicht fest genug geschlossen hat, da lesen wir oft die schönsten Sprüche und wissen nicht, was wir gelesen haben, wir beten oft und hören selbst nicht, was wir beten; das Auge überläuft die Schrift, der Mund ergießt die Worte und klappert wie eine Mühle, aber das Herz flattert indessen mit fremden Gedanken umher, und ist solch Lesen und solch Beten mehr eine untaugliche Gewohnheit, als eine Gott wohlgefällige Andacht. Und dies ist ein Versehen, das zuöfters auch fromme Leute erschleicht, indem sie zwar mit andächtigem Eifer die Uebung der Gottseligkeit anfangen, unvermuthlich aber von unzeitigen Einfällen so weit verleitet werden, daß sie sich hernach wundern, wie sie so weit im Schlaf gehen, ich will sagen, so viel Worte machen und doch nicht wann wissen können. Das beste Mittel gegen diese bösgute Gewohnheit ist, nicht allezeit die gewohnten Worte behalten, sondern zuweilen nach seinem Anliegen andere suchen und, welches das allerbeste ist, alles kurz fassen und den Worten von Herzen, im Geist und der Wahrheit den Nachdruck geben. Mein Gott! es hat auch oftmals ein fremder Eintrag die Worte meines Mundes von der Andacht des Herzens gesondert, daß ich mit dir als ein Schlafender geredet, der nicht weiß, was er sagt; verzeihe mir solches gnädiglich und vereinige hinfort deinen Geist mit meinem Herzen, damit mein Gebet so andächtig sei, als es deine Majestät und meine Niedrigkeit erfordert!
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