Die Milchstraße

Als Gotthold bei hellgestirnter Nacht die sogenannte Milchstraße am Himmel sah, dachte er bei sich selbst: so giebt mans doch nun mehr nach, daß es wahr sei, was einer von den Alten gesagt hat, daß dieser weiße Himmelsstrich von dem dunkeln Glanz vieler tausend daselbst gehäufter kleiner Sterne entstehe, zuvoraus, da man durch die Ferngläser dieselben ganz eigentlich erkennen kann, und erhellt daraus, daß die Alten mit ihrer Meinung nicht sofort zu verlachen, sondern vielmehr mit Nachdenken zu hören sind. Ich habe aber an diesem weißhellen Zirkel eine Abbildung theils der h. göttlichen Schrift, welche dem, der sie nur obenhin ansieht, dunkel scheint, wer sie aber im Geist und durchs Perspektiv des Glaubens betrachtet, der wird einen funkelnden Lehr- und Troststern bei dem andern zu seiner Erleuchtung finden; theils der herrlichen Versammlung der Heiligen im ewigen Leben; von derselben hören wir viel, können aber wegen unserer Schwachheit wenig Eigentliches davon fassen; nehmen wir denn das Perspektiv des Glaubens und gottseliger Betrachtung zur Hand, so finden wir so viel, daß dennoch wahrhaftig die seligen Seelen wie des Himmels Glanz und wie die Sterne immer und ewiglich leuchten. Dan. 12, 3. Es bleibt aber alles klein und fast unkenntlich, weil wir noch so gar weit vom Himmel entfernt sind. Wenn wir aber, wills Gott, selbst hinankommen, wollen wirs mit ewiger Zufriedenheit vollkommen erfahren.

Laß uns, Herr Jesu! im Himmel haben Theil, 
Mit den Heiligen im ewigen Heil. 

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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