Die Maden im Bienenstock

Gotthold besichtigte die in der Reihe stehenden Bienenstöcke und fand, daß unter einem auf dem Boden viel aschfarbene Maden mit rothen Köpfen lagen, welche zu tödten und auszuschaffen die Bienen sehr bemüht waren. Er fragte hierum einen alten Bienenwärter, welcher berichtete, daß zuweilen die arbeitsamen Immen an ein schädliches Kraut geriethen und aus demselben, da sie vermeinten die junge Bienenbrut einzutragen, untüchtigen Saft einbrächten, daraus diese Maden würden. Gotthold gedachte bei sich selbst: ist diesem also, so hab ich darin eine eigentliche Abbildung der übel erworbenen Güter. Mancher Mensch ist fleißig in seiner Arbeit und Nahrung, wie eine Biene, allein die Begierde viel zu haben macht es, daß er ohne Unterschied und weiteres Nachsinnen auf alle Blumen stiegt, ich will sagen, daß er allerlei Mittel, rechtmäßige und unzuläßliche, zu seiner Bereicherung ergreift, das Gewissen an den Nagel hängt, die Liebe des Nächsten aus den Augen setzt und manchen Pfennig, daran viel Fluch, Seufzer, Blut und Thränen der Armen kleben, unter seinen Vorrath mengt; aber wie lange währt es, so wachsen aus solchem vermaledeiten Gut solche Würmer und Maden, die sein Gewissen, seinen ehrlichen Namen, sein Vermögen und Geschlecht nagen, fressen und verzehren, und das ists, was Gottes Wort sagt: In dem Einkommen des Gottlosen ist Verderben. Sprüchw. 15, 6. Behüte mich, du gerechter Gott! daß ich nicht in anderer Leute Schaden mein Aufnehmen suche! daß ich nicht anstatt Schatzes und Vorraths einen fressenden Wurm in mein Gewissen und Güter trage! Was hülfe es mir, wenn ich die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an meiner Seele? Matth. 16, 26.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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