Die Macht des Liedes in der Reformationszeit
Ein Jesuit sagte hundert Jahre nach Luthers Tod:
"Luthers Lieder haben mehr Seelen gemordet, als seine Schriften und Predigten."
Als 1527 in Braunschweig der Römling Dr. Sprengel eben seine Predigt mit den Worten geschlossen hatte: "Hiermit ist nun bewiesen, dass ein jeder Mensch durch seine guten Werke selig werden kann", erhob sich ein Bürger, stimmte hell und frisch Luthers Lied über den 12. Psalm an: "Ach Gott vom Himmel, sieh darein..." und wie auf Verabredung folgte ihm die Gemeinde. Sprengel aber musste die Stadt verlassen.
In der Stadt Göttingen wurde der Sieg der Reformation durch das eine Lied Luthers "Aus tiefer Not", gesungen von den Schuhmachergesellen, entschieden. Mit dem gleichen Lied wurde jeder altgläubige Prediger in Lübeck von der Gemeinde zur Kirche hinausgegangen, sobald er seine Predigt beginnen wollte. So dass der Rat schließlich nachgab und evangelische Prediger berief.
Kein Wunder, dass Ludwig XIV. bereits 1661 folgende Verordnung erließ, die ein Zeugnis für die gewaltige Macht des evangelischen Liedes ist: "Bei einer Strafe von tausend Livres ist es verboten, auf den Straßen und öffentlichen Plätzen sowie in den Anlagen Psalmen zu singen. In den Häusern müssen sie so leise gesungen werden, dass die Nachbarn und die Vorübergehenden sie unter keinen Umständen hören können. Sonst tritt dieselbe Strafe ein."
Aus: Ebambon, "Der franz. Proteslantismus". Verlag Chr. Kaiser, München.
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