Die Liebe des Vaters
Das Testament.
In einer der ersten Straßen New Yorks stand ein prächtiges Haus. Es war zur Zeit leer, denn die Bewohner waren in der Sommerfrische. In einer Nacht "arbeitete" dort ein Einbrecher. Er wusste überall ganz genau Bescheid. Gerade war er damit beschäftigt, den Schreibtisch des Hausherrn zu erbrechen. Es war eine abscheuliche Tat, denn der Einbrecher war niemand anders als ein Sohn des Hauses. - Ein sündiges Leben! - Die ernsten Warnungen des Vaters hatte er nicht beachtet. Seine Verdorbenheit hatte der Mutter das Herz gebrochen. Das Haus hatte er verlassen, weil seine Brüder ihn "wie die Pest" scheuten. Schlechte Freunde hatten ihn aufgehetzt gegen sein Elternhaus. Im Glauben, dass ihn sein Vater enterben würde, wollte er jetzt das väterliche Testament stehlen. Ha! Da war es. Mit großen Schriftzügen stand aus einem Briefs Umschlag geschrieben: "Abschrift des Testaments". Ein Datum war beigefügt. Darnach musste es kürzlich, etwa eine Woche nach der letzten kürzlichen Auseinandersetzung mit seinem Vater, ausgesetzt worden sein. Grimmig schaute der Sohn drein, als er zu lesen begann. Doch was stand da zu lesen! "Mein geliebter Sohn Eduard soll sein Kindesanteil unverkürzt erhalten. Ich will, dass seine Brüder und Schwerstern ihn wieder aufnehmen, sollte er einst zurückkehren von seinen Verirrungen. Sie sollen ihm sagen, dass ich meinen Jungen lieb gehabt habe bis zu meinem letzten Seufzer." - Der Einbrecher saß da, verwirrt und niedergeschmettert. Mit weitgeöffneten Augen starrte er auf das merkwürdige Testament in seiner Hand. Wie ein Blitzstrahl ging ihm die Erkenntnis darüber auf, welch ein erbärmlicher Schurke er war, wie völlig unwert der Liebe eines solchen Vaters. O hätte er nur die Schande dieser Nacht von sich abwaschen können! Aber es war nicht mehr möglich. Der erbrochene Schreibtisch redete eine zu deutliche Sprache. Eine Viertelstunde nach der andern verging. Verzweiflung wühlte in dem Herzen des schuldbeladenen Sünders. Und wer weiß, welch einen Ausgang die Sache genommen hätte, wenn der Herr in feinem Erbarmen diesem Verlorenen nicht zu Hilfe gekommen wäre? Nicht umsonst war in diesem Hause gebetet, nicht umsonst Gottes Wort gelesen worden. Eduard brach in Tränen aus, sank in die Knie und - betete.
Am folgenden Morgen sandte er ein Telegramm an seinen Vater mit dem dringenden Versuchen, ihn sprechen zu dürfen. Die Versöhnung war vollkommen. Die Liebe des Vaters hatte das harte Herz des Sohnes gebrochen, und er wurde ein anderer Mensch. Erinnert diese Geschichte nicht an die Liebe Gottes, des Vaters? Welch ein Testament hat er aufgestellt? Eine Urkunde seiner göttlichen Liebe, die dem bußfertigen Sünder, mag er noch so böse und verworfen sein, Gnade und ewiges Leben anbietet auf Grund des Opfertodes seines für Sünder darangegebenen eigenen Sohnes!
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