Die Laute
Als im Beisein Gottholds ein guter Freund seine Laute bringen ließ, fand er, daß dieselbe, als sie in die Stube gekommen, sich sehr verstimmt hatte, maßen denn auf solchen Instrumenten bei Veränderung des Wetters und der Luft man solches gewöhnen muß. Indem nun derselbe sie wieder einzurichten und chormäßig zu stimmen bemüht war, dachte Gotthold bei sich selbst: was ist lieblicher, als eine wohlgestimmte Laute, und was ist angenehmer, als ein getreuer Freund, der dich in Traurigkeit mit rathsamem und freundlichem Zusprechen zu erfreuen weiß? Allein was verstimmt sich auch eher, als eine Laute, und was ist wandelbarer, als der Menschen Freundschaft? Ander Wetter, ander Ton; ander Glück, ander Tück. Hast du gut Wetter, liebliche Sonne, sanften Wind, so hast du auch wol Freunde, verstimmt sich aber dein Glück und Wetter, so sollen viel Freunde halten, wie jetzt die Saiten auf der Laute, deren wol zehn aufgezogen werden, ehe man eine findet, die rein klingt und den Zug aushält. Doch, was beklag ich mich über andere, da ich selbst an mir finde, das sich dieser Laute verähnlicht? Was ist das Gemüth des Menschen? Anders nichts, als eine verstimmte Laute, die bei guten Tagen wohl und hoch klingt; ich will sagen, daß unser Herz, wenn das Glück es liebkoset, trotzig, frech und muthig ist, Gefallen an sich selbst hat und meint, alle seine Gedanken und Vornehmen seien vor Gott und Menschen köstlich und lieblich. Allein, wenn Gott das Wetter ändert, die Glückssonne ihre Strahlen verbirgt und sich unter rauhen Trübsalswolken versteckt, da ist aller Muth dahin und werden wir oft so kleinlaut, und laufen die sorglichen Gedanken so seltsam durch einander, daß es zu verwundern ist. Mein Gott! ich erkenne, daß mein Gemüth ist wie eine unrichtige Laute; du hast stets daran zu stimmen, sonst taugt es nirgends zu. Erhalte mich bei allerlei Wetter, wie du das über mich kommen lassen willst, bei dem einigen Ton: Du bist und bleibst mein Gott!
© Alle Rechte vorbehalten