Die Kuh

Gotthold, als er mit einer Gesellschaft spazieren ging, sah eines armen Mannes einzige Kuh, die er mit einem Strick und Pfahl hatte angebunden, weiden und sagte: Was eine Kuh für ein nützliches Thier sei, wird von wenigen erkannt, auch vielleicht von uns selbst nicht, ob wir sie gleich in großen Heerden täglich vor unsern Augen gehen sehen und ihrer sehr wohl genießen. Ich habe eines Edelmannes Hof gesehen, da ihrer hundert und etliche täglich mit vollem Euter nach Hause kamen und so viel Milch und Butter gaben, daß es uns hier, wo die Weide nicht so gut ist, unglaublich scheint. Der Niederlande Erzgruben, daraus sie Gold und Silber schaffen, sind unter andern auch ihre Kühe, von deren Milch sie ihre Käse und Butter machen und häufig, auch mit großem Nutzen verführen und verkaufen. Es berichten etliche Scribenten, daß in selbigen Landen allein aus Butter und Käse jährlich gelöst werden über zehnmal hundert tausend Kronen, welches um so eher zu glauben, weil die Erfahrung bezeugt, daß in Holland an etlichen Orten jegliche Kuh in den langen Sommertägen ungefähr 44 Rössel Milch zu geben pflege. Darum, als einmal Markgraf Spinola Prinz Moritzen von Oranien die Citronen und Pomeranzen zeigte, sagend, er sollte sehen, was Spanien für ein Land wäre, denn solche Früchte könnten sie alle Jahr zweimal haben, setzte der kluge Herr ihm einen holländischen Käse vor und sagte, er sollte sehen, was Holland für ein Land wäre, denn solche Früchte könnten sie alle Tage zweimal haben. Was die Butter für eine edle Gabe des Höchsten sei, erkennen wir Deutschen nicht, weil wir sie überflüssig haben. Friedrich der andere dieses Namens, Pfalzgraf beim Rhein und hernach Churfürst, als er einmal mit einer Gesellschaft von 20 Personen zu Kaiser Karl dem Fünften in Spanien reiste, befahl er, als er zu einer Stadt, Gomorra genannt, gekommen, seinem Küchenmeister, er sollte sich mit Butter versehen, damit er, der Fürst, täglich gerührte Eier, welche er vor andern Speisen liebte, haben könne. Der Küchenmeister geht aus, und als er zu einem Gewürzhändler, der Butter feil haben sollte, gewiesen worden, begehrte er, ihm zwei oder drei hundert Pfund zu überlassen. Dieser verwunderte sich und sagte, das ganze Königreich Kastilien würde so viel nicht aufbringen können; wir haben hier keine Butter, als die wir anders woher bringen lassen, und zwar nur so viel, daß man sie zu Arzneien und Pflastern gebraucht; bringt auch zugleich eine Blase, darin die Butter dem Schmalz ähnlich war, und sagte, das wäre alle seine Butter. Also haben wir gleichwohl auch etwas, das andere Länder nicht haben, und mag die Butter der Deutschen Oel mit allem Rechte genannt werden. Sagt mir aber, meint ihr nicht, daß mancher Mensch schlimmer ist, als eine Kuh? Die Kuh genießt des Sommers der Weide und im Winter des Futters, nicht aber umsonst, sondern sie bezahlt es mit ihrem Kalbe, Milch und Butter; sie behilft sich mit Gras, Spreu und Stroh und füllt dafür den Eimer mit süßer Milch. Aber ach! wie mancher Mensch ist, der täglich in den Gaben und Gütern Gottes geht, wie die Kuh bis an den Bauch im Grase, und weiß seinem lieben Gott nichts dafür zu Willen, da er doch mit einem und andern dankbaren Seufzer gern vorlieb nehmen wollte. Doch wird auch das Unglück vom Hause des Undankbaren nicht lassen. Sprüchw. 17, 13. Mein Gott! ists nicht eine Schande, alles dient uns, und wir wollen dir nicht dienen, um deß willen uns alles dient? Ich will dich allezeit demüthig preisen, damit mich das dumme Vieh nicht beschäme.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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