Die Kröte

Gotthold ward gewahr, daß bei einem schönen und dickgewachsenen Salbeistrauch eine große Kröte saß, die vom Gift feuerroth und schwulstig war, und sobald sie seiner inne ward, wieder unter dem Schatten desselben Krauts sich verbarg. So ist es dennoch so, dachte er, daß dieser giftige Wurm das edle Kraut liebt und gern dabei hauset, warum denn etliche pflegen die Raute dabei zu pflanzen, als die seine Feindin ist und ihn von dannen hält. Im weitern Nachdenken aber befand er, daß ihm hierin der Zustand eines feindseligen und bittern Menschen abgemalt wäre. Mancher hat von Gott und der Natur feine Gaben, die er auch durch Fleiß und Kunst ausgeschliffen und in seinem Stande der Welt damit zu dienen tüchtig gemacht, er führt daneben ein ehrbares Leben, hält sich zum äußerlichen Gottesdienst, betet, singt, theilt den Armen aus nach seinem Vermögen; aber dagegen hat er eine bittere Feindschaft und unversöhnlichen Widerwillen wider einen und den andern gefaßt und verharrt in demselben mit Vorwand guten Fugs und Rechts, und wie der Kalk vom kalten Wasser entzündet, also, jemehr man aus dem Wort Gottes ihm zuredet, je eifriger und heftiger er wird. Was ist nun solcher Haß und Groll anders, als eine giftige Teufelskröte, die das gute Kraut seines ganzen Lebens vergiftet und vor Gott nichtsgültig macht? Wohl dem, der dies bedenkt und allezeit ein Rautenpflänzlein wider die Feindseligkeit aus dem göttlichen Wort im Herzen trägt! Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, wenn ich weissagen könnte, und wüßte alle Geheimnisse und alle Erkenntniß, und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe, und hätte der Liebe nicht, so wäre mirs nichts nütze, 1. Cor. 13, 1. 2. 3.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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