Die Koloquinten
Eine Gesellschaft, welcher ein tadelsüchtiger Mensch viel Verdruß verursachte, hatte Anstalt gemacht, daß demselben bei der Mahlzeit der Teller mit Koloquinten bestrichen ward, deren bitterer Saft alles, was darauf gelegt, bitter und abschmäckig machte; dieser, als er, was ihm vorgelegt, kostete, wußte nicht, wohin er es deuten sollte; er nahm sich etwas anderes aus der Schüssel, er forderte einen andern Teller, (der aber auf Befehl nicht weniger bestrichen) und mußte doch allemal die vorige Widrigkeit der Speise empfinden, weshalb er von den andern fast auf die Gedanken gebracht wurde, als wäre er mit dem Fieber behaftet, welches die Speisen so unannehmlich zu machen pflegt. Dies hörte Gotthold und vermeinte hierin eine Abbildung zu haben eines vergallten und bittern Herzens. Fürwahr, sprach er, die Erfahrung bezeugt es, daß, so ein Widerwille zwischen zwei Nachbarn oder Freunden entstanden und das Herz von bittrer Feindseligkeit und Haß eingenommen ist, ihm an dem andern nichts Wohlanständiges und Angenehmes zu sein dünkt. Geht er, so ist er ganz stolz und hoffärtig; lacht er, so ist er höhnisch; weint er, so ist er heuchlerisch; sieht er ernst, so ist er frech; hat er einen Fehler an sich, so ist er groß, eine Tugend, so ist sie gering; seinen Ruhm hört er mit Verdruß, seine Verkleinerung mit Lust, und hilft gerne dazu; und daher kommts, daß die Feindschaft immer zunimmt, weil der Satan immer Holz zuträgt, und der Argwohn Oel ins Feuer gießt. Darum sagt der Apostel wohl: Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn sei fern von euch. Eph. 4, 31., und abermal: Sehet darauf, daß nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfriede anrichte, und viele durch dieselbe verunreinigt werden. Hebr. 12, 15. Behüte mich, mein Herr Jesu! du sanftmüthiges Herz, vor solcher schädlichen Bitterkeit, daß sie mein Herz nicht übermeistere! Sollt ich ja aus Schwachheit mit Unfug zürnen, so gieb, daß ich zur Versöhnung willig sei und die Sonne über meinem Zorn nicht untergehen lasse! Eph. 4, 26.
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