Die Kohlpflanze
Gotthold sah auf einem Acker Weißkohlpflanzen gesetzt, die, ob sie wohl fein groß und schön gewesen, dennoch nach der Versetzung die äußersten Blätter meist alle verloren hatten, welche um das Herzkölblein und schwachen Stamm her verwelkt lagen; er gedachte dabei, das heißt: Gestorben zum Leben. Wären diese Pflanzen an dem Ort, wo sie aus einem geringen Samenkörnlein erwachsen, unverrückt gelassen, hätten sie ihre Frucht nicht bringen können, jetzt aber, da sie versetzt sind, stirbt zwar das äußerliche Ansehen, aber die Herzblättlein leben, und werden in weniger Zeit durch fleißige Obacht und Begießen wachsen, sich schließen und auf einem starken Stamm das wundersame und nützliche Kohlhaupt bringen. Mein Gott! so machst du es mit deinen Gläubigen. In der Welt sind wir aus sündlichem Samen entsprossen, und würden, als Fleisch vom Fleisch geboren, Joh. 3, 6., zu keiner heiligen und tauglichen Frucht gelangen; deine Hand aber, Herr Jesu! versetzt uns in deinen Kirchenacker, daß wir sollen werden Pflanzen des Herrn, zum Preise, Jes. 61, 3.; da überfällt uns die Kreuzhitze, und was dein wunderbarer Rath, Jes. 28, 29., zu unserem Aufnehmen sonst gut befindet. Also sterben wir zum Leben! Wir sterben ab der Sünde, daß wir der Gerechtigkeit leben; wir sterben der Welt, auf daß wir Gott leben; es stirbt der alte Mensch, daß der neue Mensch lebe; es stirbt das Fleisch, daß der Geist lebe und in uns herrsche. Mein Gott! laß mich eine solche Pflanze sein!
Ertödt mich durch dein Güte,
Erweck mich durch dein Gnad,
Den alten Menschen kränke,
Daß der neue leben mag.
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