Die Kapelle bei den Vereinten Nationen
H. Thielicke berichtet von einem Besuch bei den Vereinten Nationen in New York. Er wollte die Kapelle sehen: "Sie meinen wohl den Meditationsraum?" In einem völlig leeren Raum, ohne jeden Schmuck und ohne jedes Symbol, standen einige Stühle. "Sitzt da manchmal jemand darauf?", fragte ich den Ordner. Er schüttelte verlegen den Kopf. Die vordere Wand, wo in der Kirche der Altar und das Kreuz zu stehen pflegten, war von Scheinwerfern grell angestrahlt. Und dort war und wurde angestrahlt... nichts, nothing. Den verantwortlichen Männern, die in diesen Raum geladen waren, wurde nicht gezeigt, zu wem sich ihre Gedanken wenden sollten. Es war ein Tempel grausiger Verlassenheit, das leere Trümmerfeld längst entflohenen Glaubens. An alles war gedacht, für alles war gesorgt. Nur hier, wo es um das Letzte gehen sollte, war Leere und Hilflosigkeit.
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