Die Kälte

Ein kleines Kind war in der Kälte seinem Spiel so lange nachgelaufen, daß ihm darüber die Hände ganz braun geworden. Als es nun der Stube und dem Ofen zueilte, empfand es wegen der geschwinden Veränderung gar große Schmerzen, wie denn bewußt ist, daß dieselben, wenn man die gefrornen Glieder plötzlich zum Feuer hält, zu erfolgen pflegen. Gotthold kam hierüber auf die Gedanken, wie mancherlei grausame Schmerzen in der Welt seien, denen der menschliche Körper unterworfen ist. Hier streitet, sprach er, die Hitze mit der Kälte und verursacht fast unleidliche Schmerzen, noch größer ist das Zahnweh, das Augenweh, das Haupt- und Hüftweh und andere. Hat nun der gerechte Gott den Menschen zur Züchtigung in der Zeitlichkeit so vielen und großen Schmerzen unterworfen, was will denn in der Hölle werden, da er seinen gerechten und grimmigen Zorn in alle Ewigkeit über die Verdammten ausgießen wird? In der Hölle wird Frost und Hitze sein, weil die Verdammten in ewiger Flamme brennen und doch heulen und zähnklappern werden. Können nun die Schmerzen, die kaum eine halbe Viertelstunde währen, diesem Kinde solche Angst machen, was werden die Höllenschmerzen thun, die in Ewigkeit währen? Wie aber die Kinder, indem sie dem liederlichen Spiel nachhängen, der Kälte nicht gewahr werden und der darauf folgenden Schmerzen sich nicht erinnern, so gehts uns Alten auch; wir folgen der Narrheit der Welt und lassen uns durch ihre schnöde Lust bethören, darüber oft der zeitlichen und ewigen Strafen, die auf Sünde erfolgen, vergessen wird. Ach, mein Gott! führe mich in die Hölle, weil ich lebe, damit ich vor der Hölle gesichert sei, wenn ich sterbe!

Ei, du süßer Jesu Christ! 
Der du Mensch geboren bist, 
Behüt uns vor der Hölle!

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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