Die Gevatterschaft
Als jemand von Gottholds Leuten zur Gevatterschaft eingeladen war, fing er an, die Seinigen von solchem Gebrauch folgendermaßen zu unterrichten: Es ist ein uralter Gebrauch in der christlichen Kirche, daß man bei der Kindertaufe etliche gottselige Personen zu Zeugen und Gevattern, das ist, Mitvätern oder Mitmüttern erbittet. Es meinen etliche, daß in der jüdischen Kirche dergleichen bei der Beschneidung beobachtet und von dannen bald zur Apostelzeit in die christliche Kirche überbracht sei. Andere berichten, daß von dem römischen Bischof Hyginus, der ums Jahr Christi 140 gelebt, dieser Gebrauch eingeführt sei, und zwar darum, weil zu seiner Zeit die blutigen Verfolgungen vielen Kindern die Eltern hinweg nahmen, daß doch andere möchten sein, die Elternstatt vertreten, der Waisen sich annehmen, im christlichen Glauben sie erziehen und zu aller Gottseligkeit sie ermahnen und halten möchten. Denn, so viel man aus der lieben Väter (von welchen diese Weise auf uns gekommen) Schriften erlernen kann, ist keineswegs zur Gevatterschaft genug gewesen, daß man der Taufe mit seinem Gebet beigewohnt, sondern man hat solche Zeugen auch ernstlich unterrichtet und ermahnt, daß sie wären Bürgen bei Gott für die Täuflinge geworden und demnach verbunden, als Mitväter nebst den Eltern dahin zu sehen, daß sie im christlichen Glauben zu aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit auferzogen würden, davon man auch in einer bischöflichen Versammlung zu Arelate, welche an der Zahl die vierte gewesen, eine Verordnung gemacht hat. So ist es nun fürwahr eine große Ehre, die einem widerfährt, wenn er von gottseligen Eltern zur Gevatterschaft und zum Taufzeugen ihres Kindes erkoren wird, denn hiemit geben sie ihm das öffentliche Zeugniß, daß sie ihn für einen rechtschaffnen Christen, andächtigen Beter und gottseligen Eiferer um die Ehre Gottes und des Nächsten Seligkeit halten; sie bezeugen ihre gute Zuversicht, die sie zu seiner Liebe haben, daß er mit willigem, fröhlichem Herzen auf begebenden Fall sich ihres Kindes in geistlichen und leiblichen Nöthen werde annehmen und auf alle mögliche Weife dessen zeitliche und ewige Wohlfahrt befördern helfen. Dies verstehen nun die wenigsten unter den heutigen Christen, welche meinen, sie haben der Gevatterschaft ein volles Genüge gethan, wenn sie in ihrem besten Habit und mit einem ziemlichen Taufgeschenk sich haben bei der Taufe eingefunden und hernach sich bei überflüssigem Essen und Trinken lustig bezeigt. Wie mancher, welches wol mit blutigen Thränen zu bedauern, nicht weiß, warum er ein Christ ist, so weiß er auch nicht, warum er ein Taufzeuge oder Pathe ist, und was solcher Name von ihm erfordere. Ein Taufbürge ist kraft seines Versprechens schuldig, für seinen Pathen sein Leben lang fleißig zu beten, ihn nebst seinen Eltern, so oft es Gelegenheit giebt, fleißigst zur wahren Gottseligkeit zu ermahnen, seines Taufbundes ihn zu erinnern und, daß er mit allem Fleiß seinem Taufgelübde nachlebe, so viel möglich, anzuhalten. Sollten die Eltern säumig und gottlos werden oder versterben, gebührt ihnen für des Kindes zeitliche und ewige Wohlfahrt zu wachen und es in der Furcht Gottes nach bestem Vermögen zu erhalten. Ich habe einen gottseligen Mann gekannt, der in seinem täglichen Gebet, wenn er auf die Fürbitte für die liebe Jugend kam, sonderlich seiner Pathen Meldung that und Gott herzlich bat, daß er sie mit seinem H. Geist allezeit regieren, ihre Herzen durch seine Gnade zu allem Guten lenken, in ihrem Taufbunde sie erhalten, vor der bösen Welt Aergerniß und Verführung sie bewahren und sie mit zeitlicher und ewiger Wohlfahrt beseligen wolle. Ein anderer, der gutes Vermögens war und keine Kinder hatte, ließ jährlich auf einen gewissen Tag seine Pathen, die etwas zu Jahren und Verstande gekommen waren, zusammen bringen, fragte sie aus ihrem Katechismus, forschte, ob sie auch beten könnten, erinnerte sie ihres Taufbundes mit gottseligem kurzem Bericht, was derselbe in sich hätte, wie sie sich dessen trösten und aus demselben zur wahren Gottseligkeit aufmuntern sollten; hernach gab er ihnen eine Mahlzeit und ließ sie mit einem Segenswunsch und nochmals wiederholten guten Ermahnungen von sich. Ach, wenn dies von allen oder nur von etlichen in Acht genommen würde, wie großen Nutzen sollt es in Kurzem bei der lieben Jugend schaffen! Nun so gehet hin und verrichtet dieses christliche Werk als ein Christ, helft mit eurem andächtigen Gebet für das Kind kämpfen und habt ein Liebesauge auf dasselbe, weil es und weil ihr lebt. Mein Gott und liebster Vater! meine irdischen Taufzeugen sind längst dahin; allein ich darf nach Veranlassung deines h. Apostels sagen, 1. Joh. 5, 7., daß meine himmlischen Taufzeugen nimmermehr sterben. Denn du dreieiniger Gott, Vater, Sohn und H. Geist! hast ja bei meiner Taufe auch bezeugt, daß ich zu deinem Gnadenkinde sollte auf- und angenommen sein, du hast mir zum Taufgeschenk eingebunden, Gott Vater! deine Gnade, Herr Jesu, mein Erlöser! deine Gerechtigkeit und theures Blut, Gott H. Geist, deinen Trost und immerwährende gnadenreiche Beiwohnung. So bist du nun, mein Gott! mein Pathe, Vater, Herr und Gott, ich dein Taufsohn, Kind und Knecht in Ewigkeit.
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