Die Freundschaft
Es kam ein frommer Student zu Gottholden und brachte vor, daß er lange gewünscht hätte, mit ihm in Kund- und Freundschaft zu gerathen, weshalb er sich auch jetzt erkühnt hätte, zu ihm zu kommen. Er fiel ihm in die Rede und sagte: Mein! wenn ich beweisen kann, daß wir nahe Blutsfreunde mit einander sind, so werdet ihr hoffentlich nicht viel Mühe mehr anwenden, meine Freundschaft zu erlangen. Ich will nicht sagen, daß wir Menschen alle, Arme und Reiche, Hohe und Niedrige, Berühmte und Unbekannte aus einem Geblüt, von Adam nämlich, entsprossen und also als Menschen einer den andern zu lieben verbunden sind, sondern bedenket mit mir, ob wir nicht alle, die wir gläubige Christen sind, aus einem Blute als Gottes Kinder unser Herkommen haben, nämlich aus dem Blute Jesu Christi, des Sohns Gottes, dadurch wir von der Gewalt des Teufels erlöset, mit Gott versöhnt und mit einander zu ungefälschter und ewiger Freundschaft verbunden sind. Dies ist die rechte ansehnliche, hohe, vornehme Freundschaft, damit wir Christen prangen. Der Welt Geschlechter, Adel, hohe Anverwandtschaft und vornehme Freundschaft gehört zur Welt und in das Register der Eitelkeit; niemand kommt in den Himmel als eines Kaisers, Königs, Fürsten Kind, niemand als ein Edelmann, als ein Geschlechter, sondern als ein Gotteskind, als ein Blutsverwandter und Bruder des Herrn Jesu. Und hierum nun sollen wir einander herzlich als Blutsfreunde lieben und einer dem andern zu dienen bereitwillig sein. Kein gläubiger Mensch muß von unserer Liebe ausgeschlossen sein, wenn er schon mit Bettlerslumpen verhüllt ist, wenn wir ihn schon unser Leben lang nicht gesehen und sein nicht auf eines Hellers Werth genossen. Denn weil mein Herr Jesus sein Blut umsonst und aus Gnaden auf ihn und mich verwandt, warum wollten wir nicht einander mit Muth und Gut, ja Blut dienen? Hierum so will ich euch nun künftig nicht allein für meinen Freund, sondern auch für meinen Blutsfreund halten; weil wir aber von solch edlem Blut herstammen und ins Geschlecht der Heiligen, welche die Würde der göttlichen Kindschaft haben, gehören, so lasset uns auch unserm Herkommen gemäß uns bezeigen und unsere Freundschaft mit einem gottseligen Wandel zieren. Eine gottlose weltgesinnte Freundschaft kommt mir vor wie die in einander gewachsenen Dornhecken, die sich gleichsam vereinigt und verbunden haben, Böses zu thun, zu stechen und zu ritzen, wie denn auch der Prophet sie mit den in einander verwirrten Zacken und Sträuchen eines dicken Waldes vergleicht, Jes. 9, 18., dabei aber dräuet, daß Gott ein Feuer unter sie senden werde, das sie verzehren solle. Wir aber, die wir Gottes Kinder sind und Blutsfreunde Jesu Christi, müssen sein wie die fruchtbaren Bäume eines Gartens oder wie die mancherlei Blumen eines Luststücks, in Liebe und Frieden zu aller Freundwilligkeit und Dienstfertigkeit vereinigt. Ach, Herr Jesu! vergiß nicht, daß ich dein Blutsfreund bin, und gieb, daß ichs auch nicht vergesse!
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