Die Erde
Gotthold ließ einen Brunnen säubern, und ward der Sand, so herausgebracht, an einen Ort hingeschüttet, welchen Haufen er einige Zeit hernach mit allerlei Kräutern bewachsen fand, und erinnerte sich, daß er gelesen, wie ein gelehrter Neapolitaner in Acht genommen, daß, als man den Grund zu einem großen Gebäude tief hatte legen wollen und deshalb die Erde von unten herauf gebracht, dieselbe auch in Kurzem mit allerlei Kräutern, deren man an selbigen Orten gewohnt war, bewachsen sei. Dies ist, sagte er, das Wort unsers Gottes, da er der Erde allerlei Gras, Kräuter und Pflanzen aufgehen zu lassen befohlen, 1. Mos. 1, 11., und ohne Zweifel ihr zugleich die Kraft dazu eingepflanzt hat, die auch jetzt noch währt. Man sieht aber in solcher Erde nichts, keinen Samen, keine Wurzel, keinen Anfang, und soll mir der Allerscharfsinnigste und Scharfsichtigste nichts dergleichen darinnen finden, bis es durch die jetzt gemeldete Kraft Gottes, die wir die Natur nennen, sich eräuget und darstellt. Kann nun das allmächtige Wort meines Gottes Kräuter aus der schwarzen Erde über alles unser Sehen, Fühlen und Begreifen bringen, sollte er nicht die verstorbenen und verweseten Leiber der Menschen am jüngsten Tage wissen wieder hervor zu bringen? Ich habe oft auf den Gottesäckern die Erde aufgraben gesehen, die schon viele Leiber der Verstorbenen verzehrt hat; ich sehe nichts vom Menschen mehr, weder Haut, noch Haar, mit meinen leiblichen Augen, aber mein Gott sieht wohl, wo der Staub liegt, daraus er den verweseten Körper erwecken will, und mit meinen Glaubensaugen sehe ichs auch wohl. Mein Gott! das ganze Werk stehet auf dein Wort! Du hasts gesagt, du kannst und wirst nicht lügen. Was bilden wir ohnmächtige Menschen uns ein, daß wir deine Allmacht dürfen in Zweifel ziehen? Gerade, als könntest du auch nicht, was wir nicht können. Mein Herr Jesu! deine lebendigmachende gewaltige Stimme wird der Schlüssel sein, der alle verborgenen und verschlossenen Oerter eröffnen und die Todten von dannen heraus führen wird; deine Macht wird die Felsen zersprengen, die Höhlen eröffnen, die Gräber entdecken, die Wasser zertheilen, die Felder erregen, die Wälder durchsuchen, die Berge versetzen, daß nirgends ein Todter bleibe, sondern sie alle vor deinem Nichterstuhl lebendig dargestellt werden. Hast du uns das Leben können geben, ehe wir wurden, solltest du es uns nicht wiedergeben können, wenn wir schon gewesen sind?
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