Die Bibliothek
Gotthold ward ein Verzeichniß einer stattlichen Bibliothek, welche von einem seiner Freunde hinterlassen worden, zugefertigt mit Bericht, daß sie sollte verkauft werden. So gehts, sagte er, in der Welt; Sammeln hat seine Zeit, Zerstreuen hat seine Zeit; der Gelehrten Reichthum sind mehrentheils die Bücher, und es geht damit wie mit andern Gütern der Welt; eine Zeit lang bedienen wir uns ihrer, hernach lassen wir sie der Welt, die damit waltet nach ihrem Willen. Als nun hierauf einer sagte: Es scheint, daß dieser gelehrte Mann mit gutem Unheil und Unterschied diese Bücher zusammen gebracht, wenn ich so viel Geld hätte, wollte ich sie an mich bringen; fuhr Gotthold fort: Ich gestehe, es ist eine stattliche Sache für einen Gelehrten um eine gute Bibliothek. Eine Imme kann so viel Freude nicht finden in einer blumen- und honigreichen Wiese, als ein Gelehrter in so mannigfaltigen Büchern; kein Buch ist so schlimm und schlecht, darinnen ein verständiger und erfahrner Mann nicht sollte etwas Dienstliches finden. Der berühmte alte Kanzler zu Paris, Johann Gerson, schreibt, daß der h. Augustin in seinem Letzten unter andern seinen Geistlichen befohlen, daß sie der Kirche Bibliothek, die er angerichtet hatte, sollten als einen guten Schatz wohl bewahren und in Acht haben. Er selbst vergleicht eine Bibliothek mit dem Thurm Davids, davon das Hohel. 4, 4. sagt: Er sei zum Zeughaus gebaut, darin tausend Schilde hangen und allerlei Waffen der Starken; und zieht hieher, was Christus spricht, Matth. 13, 52.: daß ein Schriftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt, gleich sei einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervor trägt; und thut hinzu, so müsse ein Gottesgelehrter aus alten und neuern Büchern die Weisheit zusammen suchen. Allein man kann nicht in Abrede sein, daß viele Bücher, aus dem Weltgeist, 1. Cor. 2, 12., geschrieben, so leer sind von der himmlischen Weisheit, daß man, wenn sie durchgelesen sind, anders keinen Nutzen davon hat, als zu sagen: Ich habe es gelesen. Die Imme fällt auf manche Blume, darin sie keinen Honig findet; manches Buch ist, wie der Schreiber oft selbst, den übertünchten Gräbern gleich, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig voller Todtengebeine sind und alles Unflaths. Matth. 23, 27. Es wird berichtet, daß eine feindliche Partei habe ehemals einen tapfern und siegreichen Potentaten umzubringen gesucht mit einem so stark vergifteten Buche, (welches ihm von einem vermeinten Exulanten sollte dargeboten werden,) daß beim Eröffnen es ihn mit seinem Dampf und Geruch tödten könnte. O wie viel sind noch jetzt vergifteter Bücher im Buchladen feil! O wie manche Seele wird durch gottlose Bücher getödtet! Darum, wenn man Bücher sammeln will, muß es in der Furcht Gottes und nach Anweisung des Buchs über alle Bücher, der h. Schrift, geschehen, von welcher unser Erlöser Ps. 40, 8. so redet: Im Buche ist von mir geschrieben, als wüßte er sonst von keinen Büchern oder erkennte die andern nicht für Bücher, wenn sie mit diesem zusammen gehalten werden. Seid auch hiebei eingedenk, daß man alle unsere Weisheit und Wissenschaft in diesem Leben mit Recht eine Bettelei, Flickwerk und Stückwerk nennen kann, weil wir sie aus so vielen Büchern mit großer und langwieriger Mühe zusammen suchen müssen. Sie wird uns endlich auch wenig nütz, wenn es zum Abschied aus der Welt kommt; da zieht sich die Begierde, viel zu wissen, öfters in einen engen Begriff zusammen. Ich habe gelesen von einem weisen Juristen, daß er in seinem Todbette gesagt, er hätte in seiner Jugend das 53. Capitel des Propheten Jesaias auswendig lernen müssen, dafür wollte er jetzt nicht nehmen aller Welt Schätze, Geld und Gut; es helfe und tröste ihn solch Capitel mehr, als alle andern Bücher, die nur genannt werden könnten, die doch weder Kraft, noch Saft hätten, gegen dieses einzige Capitel zu rechnen, er wollte auch lieber alle Bücher verlieren, vergessen und hinweg thun, denn daß er dieses einzigen Capitels entbehren sollte. Euch ist nicht unbekannt der gelehrte Theologus unter den Reformirten, Andreas Rivetus, welcher von ihm selbst in seinem Todbette sagt: „Ich habe den Tag erlebt, daß, wenn etwa ein neues Buch angekommen, ich Verlangen getragen, dasselbe zu haben, und ward mir die Zeit lang, wenn es nicht bald ankam, und trachtete jederzeit, etwas Neues zu lernen, aber alles das ist mir jetzt nichts anders, denn Unlust und Staub. O Herr! du bist mir alles, und zu dir nahen ist mein Bestes. Wann werde ich dahin kommen, daß ich eine andere Bibliothek in Gott haben werde, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis)? Ich habe mehr in der Theologie gelernt in diesen zehn Tagen, nachdem du mich heimgesucht hast, als zuvor in fünfzig Jahren.“ Herr Jesu! du weißt, daß mir kein Buch schmeckt, das nach deiner Liebe nicht schmeckt. Ich habe ja manches Buch durchlesen, aber nur zu dem Ende, daß ich etwas hätte, das ich dir unter die Füße legen möchte. Ich sammle Gold, Silber und Seide, aber auch zuweilen Ziegenhaar, doch alles zum Bau deiner Stiftshütte.
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