Die Axt am Baum

Es hörte Gotthold im selbigen Gehölze die verdoppelten Streiche der Holzschläger, und als er denselben in etwas gefolgt, fand er, daß ihrer zween in voller Arbeit begriffen waren, einen Eichbaum zu fällen, welchen sie auf Befragen: wozu sie ihn niederfallen wollten, ihm zeigten als wipfeldürr und unfruchtbar, sagend, daß er, zu nichts, als den Ofen zu heizen, nütz wäre. Er verwunderte sich über diese gute und unvermuthete Erinnerung, gedenkend an das Wort: Die Art ist schon dem Baum an die Wurzel gelegt, darum, welcher Baum nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Matth. 3, 10. Ach, sprach er bei sich selbst und an seine Brust schlagend, ich elender Mensch! wie leb ich doch oft so sicher in den Tag hinein, meines Lebens Ziel weit hinaussetzend und an nichts weniger, denn an mein Ende gedenkend, da doch der Tod täglich an meinem Lebensbaum hackt und einen starken Streich nach dem andern vollbringt, dadurch er endlich (und wenn es Gott nicht aus Gnaden verhütet), vielleicht unvermuthet wird zu Boden gerichtet werden. Ach, mein Gott! gieb, daß ich mit Früchten der Gerechtigkeit erfüllt sei durch Jesum Christ zu deinem Lob und Ehre, Phil. 1, 11., und den letzten Streich, den mir der Tod auf dein Zuwinken geben wird, mit gottseliger Wachsamkeit und gläubiger Freudigkeit erwarte.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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