Die Angefochtene

Es ward eine Magd vom Lande zu Gotthold gebracht, welche mit gotteslästerlichen schrecklichen Gedanken bis auf die Verzweiflung gequält war. Als er nun mit ihr geredet und sie nach Vermögen herzlich unterrichtet, getröstet, auch mit ziemlicher Vergnügung von sich gelassen hatte, sagte er zu einem seiner Hausgenossen: Bei solchen Personen und in solchen Nöthen kann man den Unterschied des göttlichen und weltlichen Trostes wahrnehmen; hier findet sichs, daß die Welt mit aller ihrer fleischlichen Weisheit, Ueppigkeit, Pracht, Reichthum, Wollust und ganzen Eitelkeit nichts ist und vermag. Wohlan, Welt, versuch es! tritt heran zu einer solchen angefochtenen und im Geist betrübten Person! tröste sie doch! erfreue sie doch! setze ihr eine güldene königliche Krone aufs Haupt, gieb ihr einen Scepter mit Edelsteinen besetzt in die Hand, bestecke die Finger mit kostbaren Ringen und ziere die Hand mit goldenen Armbändern, schmücke den Hals mit einer Schnur der größten und schönsten Perlen, gieb ihr ein funkelndes Diadem oder einen güldenen Schaltpfennig auf die Brust, schenk ihr ein den edelsten Wein in güldenen und silbernen Pokalen, bestreue sie mit Rosen und Lilien, bestelle eine wohlklingende liebliche Musik, führe sie in einen königlichen oder fürstlichen Lustgarten, lege sie in ein weiches und köstlich geziertes Bette, eröffne alle deine Schätze, erwecke alle deine Kräfte und schaffe Rath und Trost für ein solch hochbetrübtes und mit der Verzweiflung ringendes Herz! Oder dünkt dir, daß diese Dinge zu kostbar seien und nicht allenthalben gefunden werden, wohlan, so suche andere Sachen hervor, darin du deine Freude zu haben pflegst, laß eine Schläufe mit gutem Bier und etliche Flaschen mit Wein oder Branntwein langen, gieb Tabak und Pfeifen her, lege Würfel und Karten auf, laß die Biergeiger und Strohfiedler kommen und lustig aufmachen, suche allen deinen Scherz und Possen hervor, lärme und schwärme, jauchze, singe! Siehe zu, ob ein solch betrübter Mensch dadurch kann erfreut und seiner Angst befreit werden. Hilft dies alles nichts, so erkenne doch einmal, du Thörin, daß alles dein Wesen, Lust, Herrlichkeit, Pracht, Freude und Trost nichts ist, nichts kann, nichts vermag. Ach, Menschenkinder! wie habt ihr denn die Welt so lieb! Warum verlaßt ihr die lebendige Quelle und macht euch hier und da Brunnen, die doch kein Wasser geben können? Jer. 2, 13. Warum zählt ihr Geld da, da kein Brod ist, und eure Arbeit, da ihr nicht satt von werden könnt? Jes. 55, 2. Warum verlaßt ihr den Gott alles Trostes und hängt euch an die Welt, die einem sodomitischen Apfel gleicht, auswendig fein anzusehen, inwendig voller Asche? Die Welt ist wie das faule Holz, das im Finstern zwar scheint, als wäre es etwas Sonderliches oder voller Glut, wer es aber aufhebt oder sucht sich daran zu wärmen, der findet sich betrogen. Ach, mein Herr Jesu! es fällt mir hiebei ein, was dort einer deiner Jünger sagt, als du fragst, ob sie dich auch, wie etliche andere gethan hatten, wollten verlassen und von dir gehen. Herr, sprach er, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens! Joh. 6, 67. 68. Du hast beständigen und gewissen Trost, du hast ein liebreiches Herz, trostreichen Mund und hülfreiche Hand! Bei dir ist Rath und That! Die Welt habe ich oft falsch befunden, dich nimmermehr! Du bist eine Kraft- und Trostblume, die nimmer verwelkt; bei dir ist die Quelle des Lebens, die nimmet vertrocknet; so mag dich nun lassen, wer da will, ich weiß mich nicht zu verbessern und will auch nicht, es bleibe dabei in Ewigkeit: Meinen Jesum laß ich nicht!

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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