Die Ärztin im Rollstuhl

In dem Buch von Dorothy Wilson »Um Füße bat ich und er gab mir Flügel« wird von der jungen indischen Ärztin Mary Verghese berichtet, die durch einen Autounfall so gelähmt ist, dass sie für ihr ganzes weiteres Leben ans Bett gefesselt zu sein scheint. Zunächst will sie verzweifeln. In vielen schlaflosen Nächten kreisen ihre Gedanken um die eine Frage: Warum bin ich am Leben geblieben? Warum wird von mir dieses Leiden verlangt? Dabei gewinnt sie allmählich die Erkenntnis, dass Gott gerade auf diese Weise etwas mit ihr vorhat. Durch monatelanges Training bringt sie es dazu, vom Rollstuhl aus Operationen durchzuführen. Das gelingt ihr zwar nur unter Schmerzen, doch bald merkt sie, dass das nicht ohne Eindruck auf die Kranken bleibt. Überhaupt, so stellt sie fest, vermag sie ihren Patienten jetzt viel näher zu kommen, als das früher möglich war. Während sie vor ihrem Unfall die schwerkranken Patienten mit ihrem Zuspruch oft nicht erreichte, ist das jetzt ganz anders. Vor allem aber: Durch ihr Beispiel ermutigt, geben sich andere Behinderte nun nicht länger der Verzweißung hin, sondern entdecken auch in ihrem Leben einen neuen Sinn. 
(Marie Hüsing)

Quelle: Wie in einem Spiegel, Heinz Schäfer, Beispiel 1833
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