Der wüste Acker
Gotthold hatte an einem Ort etliche Stücke Acker, welche, weil sie etwas weit abgelegen, in dem unseligen Kriegswesen ungebaut liegen geblieben und daher sehr verwildert, mit Dornhecken und Weidengesträuch fast über und über bewachsen waren. Als er nun dieselben besichtigte und auf Mittel dachte, wie sie wieder gereinigt werden möchten, fielen ihm dabei diese Gedanken ein: die Erde ist um der Sünde willen dem Fluch unterworfen und trägt Dornen und Diesteln nach dem Ausspruch ihres Schöpfers. 1. Mos. 3, 18. Sie bildet uns aber das menschliche Herz ab, dessen sündliche böse Art gleichen Schlages ist. O wie sehr ist manches Herz verwildert! wie häufig ist die Sünde ausgeschlagen und wie ein verworrenes in einander gewachsenes Gesträuch in sich selbst verknüpft! Je länger, je ärger! Die Sünde wuchert und wächst immer, sie treibt ihre Wurzel immer tiefer und weiter ins Herz, daß man endlich nicht allein nichts Christliches, sondern auch oft nichts Menschliches mehr daran findet; das höllische Ungeziefer hauset darin, der edle Same göttlichen Worts findet da keinen Raum, wird von den Dornen erstickt, oder der Satan nimmt es stracks hinweg. Luc. 8, 12. 14. Was das Aergste ist, solche Herzen gefallen sich selbst wohl, sie haben ihre Freude in der Bosheit und ihre Lust in der Sünde. (Ach elende Lust! O klägliche Freude!) Ach, mein Gott! wie schwer gehts zu, wenn ein solch verwildertes Herz soll wieder zu gutem Lande werden, da sich doch die verblendeten Sünder die Buße so leicht einbilden. Die, so aus der Erfahrung wissen, was die Bekehrung sei, sagen, sie sei eines von den größten Wundern, ja sie sei ein größer Werk, als die Schöpfung Himmels und der Erde. Denn es ist fürwahr nicht eine geringe Sache, aus einem Sklaven des Satans ein Gotteskind machen und die Sünde, welche das ganze Herz gefaßt und mit ihrer Unart durchgangen, ausrotten. Nun, mein Vater! es ist bei dir kein Ding unmöglich; ich habe auch unter meinem Bau und Aufsicht solche Herzen, ich arbeite daran, ich rotte und reute aus, so viel ich kann, aber ohne deine Gnade und Hülfe ist alle meine Mühe und Arbeit umsonst. Ich erinnere mich, daß dein H. Geist ein Geist des Gerichts und des Brandes oder der Hitze genannt wird. Jes. 4, 4. Ach, heiliger Gott! sende dieses Feuer in solche verwilderte Herzen und laß es bis in den tiefsten Grund durchdringen und alles, was wider dich ist, ausbrennen und verzehren, befeuchte sie alsdann mit dem Blute deines lieben Sohns und dem Thau deiner Gnade, besäe sie mit dem edlen Samen deines lebendigmachenden Wortes, so werden sie hundertfältige Frucht bringen! Was mich betrifft, soll mich dieser Acker lehren, wachsam über mein Herz zu sein und dasselbe in stetigem Bau zu halten. Doch ist es mit meinem Fleiß allein nicht ausgerichtet, hilf du mir, mein Gott! und laß mich nicht!
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