Der wohlriechende Todtenkopf

Ein guter Freund hatte sich ein Balsambüchslein lassen machen in Gestalt eines Todtenkopfs; zu oberst, wo es der Hirnschale sich verähnlichte, war ein Schräublein, dadurch es von einander konnte getheilt und eröffnet werden, da man denn die unterschiedlichen Fächer, mit wohlriechendem Balsam gefüllt, zu Gesicht bekam, und sagte dabei, er hätte es darum also bilden lassen, daß er sich stets seiner Sterblichkeit erinnern möchte. Gotthold antwortete: Sehet zu, daß es nicht geschehen sei, mehr etwas Sonderliches zu haben und vor den Leuten gesehen zu werden, als an den Tod oft zu gedenken. Sonst kann euch die Betrachtung der Sterblichkeit, der ihr auch, wie wir alle, unterworfen seid, nützlicher sein, als aller Balsam, wie köstlich ihr ihn auch habt bereiten lassen. Will euch der Hoffartsschwindel ergreifen, so gedenkt, der Tod wird euch doch zu Staub und Asche und allen euren Stolz wie eine Blume verwelkend machen. Müßt ihr euch vor böser Lust, der bösen Gesellschaft und Gelegenheit zu sündigen fürchten, so gedenkt, daß die Welt vergeht mit ihrer Lust, 1. Joh. 2, 17., und daß ihr und alle Menschen so gar nichts seid und ein kurzer Begriff oder Auszug aller Eitelkeit, Ps. 39, 6. Will euch denn ein unzeitiger Zorn und Eifer zittern und beben machen., so gedenkt, daß der Tod mit seiner Art hinter euch steht und nur einen Wink von Gott erwartet, da er euch im Augenblick so ohnmächtig machen will, als eine todte Mücke. Habt ihr denn Herzweh und von Sorgen ein Sausen im Haupt, so erinnert euch, daß dermaleins alle eure Trübsal und Elend wird kommen zu einem seligen Ende, und daß unsere Trübsal zeitlich und leicht ist und uns eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit schafft. 2. Cor. 4, 17. Dies ist wol ein starkriechender und wie von Wermuth und Rauten zugerichteter Balsam, aber er übertrifft alle andern. Hilf, mein Gott! daß ich stets lebe, als lebte ich nicht, damit ich dermaleinst sterbe, als stürbe ich nicht.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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